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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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sagte sie. »Welche Rede?«
    Ich musste ihr gestehen, dass ich selbst keine Ahnung hatte und deshalb auch nicht für mich in Anspruch nehmen kann, bei diesem außergewöhnlichen Beispiel einer Schmährede, die heute unter dem Namen In toga candida aller Welt bekannt ist, meine Hände im Spiel oder gar schon vorher Kenntnis davon gehabt zu haben.
     

     
    Ich schrieb so schnell und so akkurat, wie es mir angesichts meiner Müdigkeit möglich war. Ich verfasste das Protokoll in Form eines Dramas, notierte erst den Namen der Person und dann, was sie sagte. Vieles von dem, was ich für belanglos hielt, ließ ich weg, obwohl mich während der Arbeit öfter die Frage quälte, ob ich dafür überhaupt die nötige Urteilskraft besaß. Aus diesem Grund beschloss ich, die Notizbücher mitzunehmen, für den Fall, dass ich im Lauf des Tages auf sie zurückgreifen musste. Als ich fertig war, versiegelte ich das Schriftstück, schob es in eine Rolle und machte mich auf den Weg. Ich musste mich durch eine dichte Menschentraube aus Klienten und Sympathisanten drängeln, wobei ich mehrmals an meiner Tunika festgehalten und gefragt wurde, wo denn der Senator bleibe.
    Hortensius ' Villa auf dem Palatin wurde viele Jahre später von unserem teuren und geliebten Kaiser in Besitz genommen, woran man schon ersehen kann, wie prächtig sie war. Ich war noch nie dort gewesen und musste deshalb mehrmals nach dem Weg fragen. Das Haus stand genau auf der Hügelkuppe, von wo man in südwestlicher Pachtung auf den Tiber hinunterschauen konnte. Beim Anblick der dunkelgrünen Bäume, die die sanfte Biegung des silbrigen Flusses säumten, und der dahinterliegenden Felder hatte man glauben können, man befinde sich irgendwo auf dem Land anstatt mitten in der Stadt. Wie ich wohl schon an anderer Stelle erwähnt habe, gehörte Hortensius ' Schwager Catulus das Nachbaranwesen. Das ganze, nach Geißblatt und Myrte duftende und bis auf das Zwitschern der Vögel vollkommen ruhige Viertel atmete den Geist von gutem Geschmack und altem Geld. Sogar Hortensius ' Verwalter sah aus wie ein Aristokrat. Als ich ihm sagte, ich hätte für seinen Herrn eine persönliche Botschaft von Senator Cicero, da hätte man glauben können, ich hätte gefurzt, ein derart angewiderter Ausdruck bemächtigte sich seines hageren Gesichts. Als ich mich weigerte, ihm die Rolle zu geben, ließ er mich im Atrium warten, wo die leeren, toten Augen der Masken aller Konsuln aus Hortensius ' Ahnenreihe auf mich herabstarrten. Auf einem dreibeinigen Tisch in der Ecke stand eine aus einem einzigen riesigen Stück Elfenbein geschnitzte Sphinx, die genau die Sphinx sein musste, die Verres vor so vielen Jahren seinem Anwalt geschenkt und über die Cicero sich lustig gemacht hatte. Ich beugte mich gerade vor, um sie mir genauer anzuschauen, als hinter mir Hortensius den Raum betrat.
    »Wer hätte das gedacht?«, sagte er, während ich mich schuldbewusst aufrichtete. »Unter dem Dach meiner Vorfahren mal einen Abgesandten von Marcus Cicero begrüßen zu dürfen, damit hätte ich nicht gerechnet. Worum geht es?«
    Offensichtlich machte er sich gerade fertig für die morgendliche Senatssitzung, denn er war schon mit seiner Senatorentoga bekleidet - allerdings noch ohne Schuhe, seine Füße steckten in gewöhnlichen Sandalen. Außerdem empfand ich es als seltsam, den alten Feind so ungeschützt außerhalb der Arena zu sehen. Ich gab ihm Ciceros Brief, den er sofort öffnete und in meiner Gegenwart las. Als er zu den Namen gelangte, warf er mir einen scharfen Blick zu. Ich spürte, dass er angebissen hatte, aber natürlich war er zu gut erzogen, um es sich anmerken zu lassen.
    »Richte ihm aus, dass ich mir den Bericht anschaue, sobald es mir meine Zeit erlaubt«, sagte er und nahm die Rolle entgegen. Dann ging er, als hätte er in seinem ganzen Leben noch nichts in seinen manikürten Händen gehalten, was uninteressanter gewesen wäre, gemächlich auf dem gleichen Weg zurück, den er gekommen war. Allerdings bin ich mir sicher, dass er in der Sekunde, als ich ihn nicht mehr sehen konnte, in seine Bibliothek gerannt ist und das Siegel aufgerissen hat. Was mich betraf, so ging ich wieder hinaus an die frische Luft und nahm für den Rückweg in die Stadt die Caci-Treppe, da mir bis zum Sitzungsbeginn des Senats noch Zeit zur Verfügung stand und mich der andere Weg näher an Crassus ' Haus vorbeiführte, als mir lieb war. Über die Treppe gelangte ich in die Gegend um die Via Etrusca, wo sich alle

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