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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Beamten nach Rom entsandt, um ihn festnehmen und zur Hinrichtung zurückbringen zu lassen.

KAPITEL III
     
    Cicero wurde von der niederträchtigen Kampfansage des Statthalters von Sizilien überrumpelt. Er war davon überzeugt gewesen, eine Übereinkunft auf Treu und Glauben getroffen zu haben, die das Leben seines Klienten schützen würde. »Aber auf wessen Treu und Glauben kann man sich heutzutage noch verlassen?«, beklagte er sich bitter. Wutschnaubend, was völlig untypisch für ihn war, tobte er durchs Haus. Er war aufs Kreuz gelegt worden! Sie hatten ihn lächerlich gemacht! Er würde runter in den Senat marschieren und ihnen auf der Stelle ihre schändlichen Lügen ins Gesicht schleudern! Ich wusste, dass er sich schon bald wieder beruhigen würde, denn ihm war nur zu bewusst, dass sein gesellschaftlicher Rang nicht ausreichte, um einfach eine Anhörung im Senat zu verlangen: Er würde Gefahr laufen, gedemütigt zu werden.
    Allerdings lastete nun unausweichlich die drückende Verpflichtung auf ihm, seinem Klienten Schutz zu gewähren. Und so berief Cicero am Morgen, nachdem Sthenius von seinem Schicksal erfahren hatte, ein Treffen in seinem Arbeitszimmer ein, um eine Gegenstrategie festzulegen. Soweit ich mich erinnern kann, war dies das erste Mal, dass die üblichen Besucher allesamt abgewiesen wurden. Zu sechst drängten wir uns in das kleine Zimmer: Cicero, Quintus, Lucius, Sthenius, ich selbst (um mitzuschreiben) und Servius Sulpicius, der schon damals allgemein als der fähigste Rechtsgelehrte seiner Generation angesehen wurde. Cicero bat als Erstes Servius, uns seine Sicht der juristischen Lage zu erläutern.
    »Theoretisch«, sagte Servius, »hat unser Freund das Recht, in Syrakus Berufung gegen das Urteil einzulegen. Aber nur beim Statthalter, und das ist Verres. Das ist also kein gangbarer Weg. Klage gegen Verres selbst einzureichen ist auch keine Option: Als amtierender Statthalter genießt er politische Immunität, außerdem ist Hortensius noch bis Januar Prätor des Gerichtshofes für Erpressungen. Und abgesehen von diesen beiden Aspekten, säßen auf der Geschworenenbank ausschließlich Senatoren, die nie einen der Ihren verurteilen würden. Du könntest einen Antrag im Senat einbringen, aber da du das schon erfolglos versucht hast, würde ein erneuter Vorstoß auch kein anderes Ergebnis bringen. Weiter offiziell in Rom zu leben ist auch keine Option für Sthenius. Da eine wegen eines Kapitalverbrechens verurteilte Person automatisch der Stadt verwiesen wird, kann er unmöglich hierbleiben. Solltest du ihn unter deinem Dach beherbergen, Cicero, setzt du dich sogar selbst der Strafverfolgung aus.«
    »Wie lautet also dein Rat?«
    »Selbstmord«, sagte Servius. Sthenius stöhnte grässlich auf. »Ernsthaft, Sthenius, ich fürchte, du musst das in Betracht ziehen, bevor sie dich in die Finger bekommen. Oder willst du die Qualen der Peitsche, der glühenden Eisen oder des Kreuzes erdulden?«
    »Ich danke dir, Servius«, unterbrach ihn Cicero schnell, bevor der junge Rechtsgelehrte noch weiter ins Detail gehen konnte. »Tiro, wir müssen für Sthenius einen Unterschlupf finden. Er kann nicht bleiben, hier schauen sie als Erstes nach. Was die juristische Lage angeht, Servius, so stimme ich mit deiner Analyse voll und ganz überein. Verres ist ein primitives Tier, aber er ist auch schlau. Er hat sich stark genug gefühlt, den Prozess bis zum Schuldspruch durchzuziehen. Um es kurz es machen: Nachdem ich die Angelegenheit in der letzten Nacht von allen Seiten beleuchtet habe, haben wir meiner Meinung nach nur eine einzige, wenn auch geringe Chance.«
    »Welche?«
    »Wir gehen vors Volkstribunat.«
    Die Reaktion auf den Vorschlag war allgemeines Unbehagen, denn die Volktribunen hatten in jener Zeit einen äußerst zweifelhaften Ruf. Von alters her hatten sie dem Willen des gemeinen Volkes Ausdruck verliehen und so eine Kontrollfunktion gegenüber der Macht des Senats ausgeübt. Vor zehn Jahren jedoch, nach dem Sieg Sullas über Marius, hatten die Aristokraten sie ihres Einflusses beraubt. Seitdem waren sie nicht mehr befügt, Volksversammlungen einzuberufen, Gesetze zu beantragen oder Figuren wie Verres wegen schwerer Verbrechen oder Amtsvergehen anzuklagen. Die endgültige Degradierung erfolgte dann, als jeder Senator, der Volkstribun wurde, automatisch von der höheren Ämterlaufbahn ausgeschlossen wurde. Er konnte weder zum Prätor noch zum Konsul gewählt werden. Mit anderen Worten. Das Amt des

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