Imperium
Volkstribuns war zu einer politischen Sackgasse umgestaltet worden, zur Abstellkammer für die Giftspritzer und Geiferer, für die Unfähigen und Unvermittelbaren, kurz: für den Ausschuss des Politikbetriebs. Kein Senator, gleich welchen Standes oder von welchem Ehrgeiz auch immer getrieben, würde an das Amt des Volkstribunen auch nur einen Gedanken verschwenden.
»Ich kenne eure Einwände«, sagte Cicero und bedeutete den Anwesenden mit einer Handbewegung, sich wieder zu beruhigen. »Eine kleine Einflussmöglichkeit ist den Volkstribunen aber dennoch geblieben. Oder, Servius?«
»Das stimmt«, sagte Servius. »Sie verfugen noch über ein Zipfelchen ihrer potestas auxilii ferendi.« Zufrieden schaute er in unsere verständnislosen Gesichter. »Darunter versteht man«, fügte er in pedantischem Tonfall hinzu, »dass ihnen das Recht zusteht, Privatpersonen, die Opfer ungerechter Entscheidungen von Amtspersonen werden, ihren Schutz anzubieten. Aber ich muss dich warnen, Cicero. In der Wertschätzung deiner Freunde, zu denen zu zählen auch ich nun schon lange die Ehre habe, wirst du deutlich verlieren, wenn du jetzt anfängst, in der Politik des Mobs mitzumischen. Selbstmord«, wiederholte er. »Was ist dagegen einzuwenden? Wir müssen alle mal sterben. Alles nur eine Frage der Zeit, für jeden von uns. Und auf diese Weise trittst du ehrenvoll ab.«
»Was die Gefahr angeht, wenn wir uns mit den Volkstribunen einlassen, stimme ich Servius zu«, sagte Quintus. (Wenn er von seinem älteren Bruder sprach, hieß das bei Quintus in der Regel »wir«.) »Die Macht in Rom liegt in diesen Tagen nun mal in den Händen des Senats und der Aristokraten, ob uns das gefällt oder nicht. Deshalb haben wir ja auch immer die Strategie verfolgt, deinen Ruhm ganz behutsam über deine Arbeit bei Gericht aufzubauen. Bei den wirklich wichtigen Leuten wird der Schaden irreparabel sein, falls sich herumsprechen sollte, dass du ebenfalls nur so ein Krawallmacher bist. Außerdem … ich sage das nur ungern, Marcus … aber hast du mal daran gedacht, wie Terentia das wohl auffassen würde, wenn du bei dieser Linie bleibst?«
Servius brach in schallendes Gelächter aus. »Wie willst du Rom erobern, Cicero, wenn du nicht einmal deine Frau im Zaum halten kannst?«
»Eins darfst du mir glauben, Servius, verglichen mit meiner Frau ist Rom ein Kinderspiel.«
Und so ging die Diskussion weiter. Lucius war dafür, sich sofort an die Volkstribunen zu wenden - egal, welche Folgen das haben würde. Sthenius hatten Elend und Angst so betäubt, dass er zu keiner verständlichen Aussage fähig war. Ganz zum Schluss fragte Cicero mich nach meiner Meinung. In anderer Gesellschaft hätte seine Frage vielleicht Aufsehen erregt, da in den Augen der meisten Römer die Meinung eines Sklaven nicht viel zählte. Diese Männer jedoch waren daran gewöhnt, dass Cicero mich hin und wieder um Rat fragte. Ich könne mir nicht vorstellen, begann ich vorsichtig, dass Hortensius sonderlich erfreut über Verres ' Vorgehen sei und dass die Aussicht, der Fall könne sich zu einem Skandal auswachsen, ihn vielleicht nötige, seinen Klienten durch mehr Druck zur Vernunft zu bringen. Sich an die Volkstribunen zu wenden, sei nicht ungefährlich, aber unter Berücksichtigung aller Vor- und Nachteile das Risiko wert. Die Antwort gefiel Cicero.
»Manchmal«, sagte er und fasste die Diskussion mit Worten zusammen, die ich seitdem nie mehr vergessen habe. »Manchmal, wenn man in der Politik in einer Sackgasse steckt, muss man einen Kampf anzetteln, auch wenn man sich nicht sicher ist, ob man ihn gewinnen kann. Denn erst wenn der Kampf im Gang ist und alles in Bewegung gerät, ergibt sich manchmal eine Lösung. Ich danke euch, meine Freunde.« Und damit war das Treffen beendet.
Es durfte keine Zeit verschwendet werden, denn da die Nachricht aus Syrakus bereits Rom erreicht hatte, war anzunehmen, dass auch Verres ' Männer nicht mehr weit waren. Noch während Cicero gesprochen hatte, hatte ich mir Gedanken über ein mögliches Versteck für Sthenius gemacht. Sofort nach Ende der Konferenz begab ich mich auf die Suche nach Terentias jungem Privatsekretär Philotimus. Er war ein feister, lüsterner Bursche, der sich gewöhnlich in der Küche herumdrückte, wo er eins der beiden Hausmädchen, am liebsten aber beide, mit seinen lüsternen Nachstellungen belästigte. Ich fragte ihn, ob in einer der Mietskasernen seiner Herrin gerade eine Wohnung frei sei, und als er dies bejahte,
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