Imperium
einen Aktenbehälter nach dem andern aus und arbeitete sich langsam durch das Arbeitszimmer.
Cicero stand an der Tür und schaute ihm zu. »In einem von den Behältnissen wird er sich kaum verstecken«, sagte er. »So klein ist er nun auch wieder nicht.«
Nachdem sie im Arbeitszimmer nichts gefunden hatten, nahmen sie sich oben Ciceros spartanisch eingerichtetes Schlafzimmer und seinen Ankleideraum vor. »Eins kann ich dir versichern«, sagte Cicero, der sich nur noch mit Mühe im Zaum halten konnte, während er mit ansehen musste, wie man sein Bett umkippte. »Du und dein Herr werden dafür hundertfach bezahlen.«
»Wo ist das Schlafzimmer deiner Frau?«, fragte Timarchides.
»Tja«, antwortete Cicero. »Das würde ich an deiner Stelle besser nicht betreten.«
Aber Ticharmides war schon mächtig in Rage. Er hatte eine lange Reise hinter sich, er hatte noch nichts gefunden, und Ciceros Kommentare machten ihn nur noch nervöser. Er stürmte mit seinen drei Männern im Schlepptau durch den Flur und brüllte: »Sthenius! Wir wissen, dass du da drin bist!« Dann riss er die Tür zu Terentias Schlafzimmer auf. Das folgende Kreischen und die klatschende Ohrfeige, die der Eindringling hinnehmen musste, schallten durchs ganze Haus. Darauf folgte eine derart bildkräftige Flut an Unflat, in derart herrischem Tonfall und in derartiger Lautstärke, dass Terentias entfernter Verwandter, der anderthalb Jahrhunderte zuvor in Cannae die römischen Reihen gegen Hannibal befehligt hatte, sicher in die Höhe geschossen war und jetzt aufrecht in seiner Gruft saß. »Sie kam über den erbarmungswürdigen Freigelassenen«, pflegte Cicero später zu sagen, »wie eine aus einem Baum herabstürzende Tigerin. Der Bursche hat mir fast leidgetan.« Timarchides musste wohl das Scheitern seiner Mission eingesehen haben, denn er blies die Sache ab. Zusammen mit seinen Rabauken trat er den schnellen Rückzug über die Treppe an - gefolgt von Terentia und der kleinen Tullia, die sich in den Falten von Terentias Gewand versteckte, gelegentlich daraus hervorlugte und wie ihre Mutter drohend die winzigen Fäuste schwang. Wir hörten, wie Timarchides seinen Männern etwas zurief, dann das Geräusch trampelnder Schritte und schließlich die zufallende Haustür. Abgesehen von einem Hausmädchen, das irgendwo leise wimmerte, herrschte nun wieder Stille in dem alten Gebäude.
Dann drehte sich Terentia um, holte tief Luft, wobei ihr flacher Busen sich schnell hob und senkte, und sagte zu Cicero, der oben am Treppenabsatz stand: »Und das alles nur wegen dieses langweiligen Siziliers, für den du im Senat Partei ergriffen hast?«
»Ich fürchte ja«, sagte Cicero betrübt. »Die wollen mir um jeden Preis Angst einjagen.«
»Das darfst du nicht zulassen, Marcus.« Sie ging die Treppe hinauf und umfasste mit beiden Händen - ohne jede Zärtlichkeit, sondern voller Leidenschaft - Ciceros Kopf und starrte ihm wütend in die Augen. »Du musst sie vernichten.«
Und als wir uns am nächsten Morgen auf den Weg zur Basilica Porcia machten, da ging Quintus links von Cicero und Lucius rechts, und hinter den Dreien, in einer eigens für diesen Anlass gemieteten Sänfte, folgte im feierlichen Gewand einer römischen Matrone Terentia. Es war das erste Mal, dass sie sich die Umstände machte, Cicero öffentlich reden zu hören. Ich schwöre, dass ihn die Aussicht, vor ihr zu sprechen, nervöser machte als der Auftritt vor den Tribunen. Vom Haus weg begleitete uns ein großes Gefolge an Klienten, das unterwegs immer größer wurde und nochmals anschwoll, nachdem wir auf halbem Weg das Argiletum hinunter Sthenius aus seinem Schlupfloch abgeholt hatten. Wir müssen mindestens hundert Personen gewesen sein, als wir über das Forum marschierten und schließlich in die Versammlungshalle der Tribunen einzogen. Mit etwas Abstand folgte uns Timarchides mit seiner Truppe. Angesichts unserer großen Zahl konnte er uns jedoch nichts anhaben, und in der Basilika, das wusste er genau, würde er nichts unternehmen können, ohne selbst in Stücke gerissen zu werden.
Die zehn Volkstribunen saßen auf ihrer Bank. Die Halle war voll. Palicanus erhob sich und verlas den Antrag, dass nach Meinung des Volkstribunats die Verfügung der Verbannung aus Rom auf Sthenius nicht anzuwenden sei. Dann trat Cicero vor die Tribunen. Sein Gesicht war weiß vor Anspannung. Im ersten Teil seiner Rede sagte er mehr oder weniger das Gleiche, was er schon im Senat gesagt hatte - mit dem einen
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