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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Unterschied, dass er seinen Klienten diesmal nach vorn rufen und auf ihn zeigen konnte, wenn er es für angebracht hielt, an das Mitleid der Richter zu appellieren. Und zweifellos war noch nie ein vollkommeneres Abbild eines gebrochenen Opfers vor einem römischen Gericht aufgetreten als Sthenius an diesem Tag. Der Schluss von Ciceros Ausführungen hatte jedoch nichts mehr gemein mit seinen sonstigen Reden vor Gericht, er war etwas völlig Neues und bezeichnete eine entscheidende Verschiebung seines politischen Standorts. Als er diesen Punkt erreichte, war seine Nervosität verflogen und sein Vortrag voller Feuer.
    »Die Händler in den Markthallen, ihr Tribunen, kennen ein altes Sprichwort: Der Fisch stinkt vom Kopf. Und wenn im Rom dieser Tage etwas stinkt - und wer würde das bezweifeln? -, dann sage ich euch, dieser Gestank kommt vom Kopf. Er kommt von oben, er kommt vom Senat.« Laute Beifallsrufe und trampelnde Füße. »Und es gibt nur eins, sagen die Händler, was man mit einem stinkenden, verrottenden Fischkopf machen kann: abschneiden. Man muss den Kopf abschneiden und auf den Müll werfen!« Noch mehr Beifall. »Aber für so einen Kopf braucht man ein scharfes Messer, das ist schließlich ein aristokratischer Kopf, und wie die sind, das wissen wir ja!« Gelächter. »Die sind aufgeschwollen vom Gift der Korruption, aufgedunsen von Hochmut und Arroganz. Und für so ein Messer braucht es eine kräftige Hand. Und Ausdauer, denn diese Aristokraten, die haben Köpfe aus Eisen, das kann ich euch sagen, Eisenköpfe, allesamt!« Gelächter. »Aber so ein Mann wird kommen. Er ist nicht mehr weit. Tribunen, eure Macht wird wiederhergestellt werden, das verspreche ich euch, egal, wie hart der Kampf auch sein wird.« Ein paar ganz Schlaue fingen an, Pompeius ' Namen zu rufen. Cicero hob die Hand, wobei er drei Finger in die Luft streckte. »Ihr Tribunen müsst euch der gewaltigen Prüfung dieses Kampfes würdig erweisen. Zeigt Mut. Macht heute den ersten Schritt. Versetzt der Tyrannei einen Hieb. Befreit meinen Klienten. Und dann befreit Rom!«
    Später war Cicero diese ausgesprochen demagogische Rede so peinlich, dass er mich anwies, die einzige Niederschrift zu vernichten. Ich muss also gestehen, dass ich sie hier aus dem Gedächtnis wiedergebe. Aber ich erinnere mich klar und deutlich an sie - an die Wucht der Worte; an die Leidenschaft des Vortrags; an die Erregung der von Cicero aufgepeitschten Menge; an Ciceros Augen, als er Palicanus beim Verlassen des Podiums zuzwinkerte; an die völlig regungslose Terentia, die starr geradeaus schaute, während um sie herum das gemeine Volk in Jubel ausbrach. Timarchides, der ganz hinten gestanden hatte, verschwand, noch bevor der Applaus sich gelegt hatte. Sicher machte er sich so schnell wie möglich auf den Rückweg nach Sizilien, um seinem Herrn zu berichten. Denn der Antrag, was wohl kaum noch der Erwähnung wert ist, wurde mit zehn zu null Stimmen angenommen, und Sthenius ' Sicherheit war für die Dauer seines Aufenthalts in Rom

KAPITEL IV
     
    Eine andere von Ciceros Maximen lautete: Wenn du etwas Unpopuläres zu erledigen hast, dann erledige es gründlich, denn der Eindruck von Halbherzigkeit kommt deinem Ansehen sicher nicht zugute. Obwohl er sich vorher noch nie zu Pompeius oder den Volkstribunen geäußert hatte, gab es in den folgenden sechs Monaten niemanden, der sich mit mehr Begeisterung für deren Sache eingesetzt hätte. Die Pompeianer jedenfalls waren entzückt, in ihren Reihen einen derart fähigen Rekruten begrüßen zu dürfen. Der römische Winter in jenem Jahr war lang und kalt, vor allem für Terentia, nehme ich an. Ihr persönlicher Ehrenkodex verlangte es, dass sie ihrem Mann beistand gegen die Feinde, die in ihr Haus eingedrungen waren. Nicht nur, dass sie sich inmitten all dieser übel riechenden armen Menschen Ciceros Tiraden gegen ihre eigene Klasse hatte anhören müssen, jetzt belagerten seine neuen politischen Kumpane auch noch zu jeder Tageszeit ihren Salon und ihr Speisezimmer: Männer aus dem primitiven Norden, die mit abstoßendem Akzent sprachen, die Füße auf ihre Möbel legten und bis spät in die Nacht Ränke schmiedeten. Palicanus war ihr Wortführer. Bei seinem zweiten Besuch im Januar brachte er einen der neuen Prätoren mit, Lucius Afranius, einen Senatskollegen aus Pompeius ' Heimat Picenum. Cicero bemühte sich mit besonderer Liebenswürdigkeit um ihn, und in früheren Jahren wäre es auch Terentia eine Ehre gewesen, einen

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