Imperium
den Sklavenaufstand im Norden. Er schickte einen Brief nach Rom, der im Senat verlesen wurde und in dem er Crassus `' Leistung nur am Rande würdigte und stattdessen erklärte, dass allein ihm das Verdienst zukomme, den Sklavenaufstand »endgültig und vollständig« beendet zu haben. Das Signal an seine Anhänger hätte deutlicher nicht sein können: In diesem Jahr würde nur ein General im Triumph in Rom einziehen, und der würde nicht Marcus Crassus heißen. Und um auch noch den letzten Zweifel an seinen Absichten auszuräumen, schloss er seinen Brief mit der Ankündigung, dass auch er sich jetzt Richtung Rom in Bewegung setzen werde. Es ist kaum verwunderlich, dass bei all diesen aufregenden historischen Ereignissen niemand mehr an Sthenius dachte.
Es muss irgendwann im Mai gewesen sein, vielleicht auch Anfang Juni, das genaue Datum kann ich nicht mehr feststellen, als ein Kurier mit einem Brief an Ciceros Haustür klopfte. Der Mann übergab mir erst nach einigem Zögern das Schreiben und bestand darauf zu warten. Er habe strikten Befehl, nicht ohne Antwort zurückzukehren. Obwohl der Mann Zivilkleidung trug, war nicht zu überhören, dass er Soldat war. Ich brachte die Botschaft in Ciceros Arbeitszimmer. Während er sie las, verdüsterte sich sein Gesichtsausdruck. Er gab mir den Brief, und als ich die Anrede las, wusste ich den Grund für sein Stirnrunzeln. Marcus Licinius Crassus, Imperator, an Marcus Tullius Cicero. Sei gegrüßt… Nicht dass der Brief irgendeine Art Drohung enthielt. Er enthielt nur die Einladung, sich am nächsten Morgen an der Straße nach Rom, am Meilenstein achtzehn, in der Nähe der Stadt Lanuvium, mit dem siegreichen General zu treffen.
»Kann ich ablehnen?«, fragte Cicero und beantwortete die Frage gleich selbst. »Nein, kann ich nicht. Das würde er als tödliche Beleidigung auffassen.«
»Wahrscheinlich wird er Euch um Eure Unterstützung bitten.«
»Ach ja?«,sagte Cicero sarkastisch. »Wie kommst du denn darauf?«
»Könnt Ihr ihm nicht eine Art eingeschränkte Unterstützung anbieten, die sich nicht mit Euren Verpflichtungen gegenüber Pompeius überschneidet?«
»Nein, das ist genau das Problem. Pompeius war da unmissverständlich. Er erwartet absolute Loyalität. Crassus wird mich fragen: ›Bist du für mich oder gegen mich?‹ Und dann wird für mich der übelste Albtraum eines jeden Politikers Wahrheit: Ich muss eine verbindliche Antwort geben.« Er seufzte. »Aber hingehen müssen wir natürlich.«
Am nächsten Tag machten wir uns kurz nach Sonnenaufgang in einer offenen zweirädrigen Kutsche auf den Weg. Ciceros Diener fuhr uns. Es war die beste Zeit des Tages zur besten Zeit des Jahres. Die Luft war schon warm genug für einen Besuch der öffentlichen Badeanstalt an der Porta Capena, aber gleichzeitig noch von erfrischender Kühle. Auf der Straße wirbelte nicht wie sonst der Staub auf. Die Blätter der Olivenbäume glänzten in einem frischen Grün. Sogar die Gräber, die auf diesem speziellen Wegstück gleich hinter der Stadtmauer dicht an dicht die Via Appia säumten, schimmerten hell und freundlich in der ersten Sonnenstunde des Tages. Normalerweise machte mich Cicero auf dieses oder jenes Monument aufmerksam und erklärte mir, was es damit auf sich hatte - auf die Statue des Scipio Africanus zum Beispiel oder auf das Grabmal der Horatia, die von ihrem Bruder ermordet worden war, weil sie den Tod ihres Liebhabers zu ausgiebig betrauert hatte. Doch an jenem Morgen war er alles andere als guter Laune. Seine Gedanken kreisten ausschließlich um Crassus.
»Halb Rom gehört ihm. Sollte mich nicht wundern, wenn ihm diese Grabmäler hier auch gehören. Da könnten ganze Familien drin wohnen! Warum eigentlich nicht? Crassus bringt das fertig! Hast du ihn mal in Aktion gesehen? Wenn er zum Beispiel hört, dass irgendwo ein Brand wütet und sich langsam durch ein ganzes Viertel frisst, dann lässt er seine Sklaven ausschwärmen und den Wohnungseigentümern lächerlich niedrige Kaufangebote machen. Und wenn die armen Burschen dann unterschrieben haben, dann schickt er Mannschaften mit Wasserwagen los, um die Brände zu löschen. Und das ist nur eine von seinen Methoden. Weißt du, wie Sicinius, der ja nun wirklich keiner ist, dem man mit irgendwas Angst einjagen kann, Crassus nennt? Er nennt ihn den gefährlichsten Bullen in der Herde.«
Das Kinn fiel ihm wieder auf die Brust, und bis zum Meilenstein acht, der sich schon weit im Landesinnern in der Nähe von Bovillae
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