Imperium
gefälscht.«
»Genau!«, schrie Sthenius. »Nachdem du mich dem Volkstribunat präsentiert hattest, da hat ganz Rom gewusst, dass ich nicht am ersten Dezember in Syrakus gewesen sein konnte. Also musste Verres den Beweis für seine Lüge vernichten. Aber das erste Schriftstück war schon auf dem Weg zu mir.«
»Gut, gut«, sagte Cicero. »Vielleicht macht er sich doch größere Sorgen, als wir annahmen. Und hier lese ich noch, dass du an jenem Tag von einem Verteidiger vertreten wurdest: ›Gaius Claudius, Sohn des Gaius Claudius aus dem Wahlbezirk Palatina.‹ Du Glücklicher, du hattest da unten deinen eigenen römischen Rechtsanwalt. Wer ist dieser Gaius Claudius?«
»Er führt die Geschäfte von Verres.«
Cicero musterte Sthenius. »Was hast du da noch in deiner Tasche?«, fragte er.
Und dann ergoss sich an jenem heißen Sommermorgen der gesamte Inhalt von Sthenius ' Tasche über den Boden von Ciceros Arbeitszimmer: Briefe, Namen, Ausschnitte aus offiziellen Akten, hingekritzelte Notizen über Gerüchte, Klatsch und Tratsch. Sieben Monate Arbeit von drei wütenden, verzweifelten Männern, denn es stellte sich heraus, dass Verres auch Heraclius und Epicrates um ihr Vermögen gebracht hatte - im Wert von sechzigtausend Sesterzen den einen, von dreißigtausend den anderen. In beiden Fällen hatte Verres sein Amt dazu missbraucht, mit falschen Vorwürfen unrechtmäßige Schuldsprüche zu erwirken. Heraclius und Epicrates waren ungefähr zur gleichen Zeit ausgeplündert worden wie Sthenius. Beide waren bis zu jener Zeit die fuhrenden Persönlichkeiten in ihren Gemeinden und mussten völlig mittellos von der Insel fliehen und Zuflucht in Rom suchen. Sie hatten von Sthenius ' Auftritt vor den Volkstribunen erfahren, hatten ihn ausfindig gemacht und ihm vorgeschlagen, gemeinsam gegen Verres vorzugehen.
»Als Einzelopfer waren sie schwach«, sagte Cicero Jahre später, wenn er von dem Fall erzählte. »Aber nachdem sie sich zusammengetan hatten, merkten sie schnell, dass sie plötzlich über ein Netzwerk aus Kontakten verfügten, das sich über die gesamte Insel erstreckte: Thermae im Norden, Bidis im Süden, Syrakus im Osten. Diese Männer waren von Natur aus scharfsinnig, durch Erfahrung schlau und durch Bildung kultiviert. Ihre Landsleute offenbarten ihnen die Geheimnisse ihrer Leiden, was sie gegenüber einem römischen Senator nie getan hätten.«
Nach außen machte Cicero immer noch den Eindruck des gelassenen Advokaten. Als die Sonne schließlich aufgegangen war und ich die Lampen ausgeblasen hatte, schaute er sich die einzelnen Dokumente noch einmal an. Ich spürte seine wachsende Erregung. Hier hatte er die beeidigte Erklärung von Dio aus Halaesa, dem Verres für einen Freispruch zehntausend Sesterzen abgepresst, alle Pferde und Wandteppiche sowie alles Gold- und Silberzeug geraubt hatte. Dann die schriftlichen Aussagen von Priestern mit einer Liste der Objekte, die man aus ihren Tempeln gestohlen hatte: eine Bronzestatue von Apollo mit silberner Signatur des Bildhauers Myron, ein Geschenk von Scipio vor einhundertfünfzig Jahren, geraubt aus dem Tempel des Aeskulap in Agrigent; eine Statue der Ceres aus Catina, eine der Victoria aus Henna; der gesamte Inhalt des altertümlichen Juno-Tempels auf Malta. Hier die Aussagen von Bauern aus Herbita und Agyrium, die Verres ' Agenten Schutzgeld gezahlt hatten, nachdem diese ihnen gedroht hatten, sie auszupeitschen. Dann die Geschichte des erbarmungswürdigen Sopater aus Tyndaris, den Verres ' Liktoren mitten im Winter vor aller Augen nackt an eine Ritterstatue gefesselt hatten, bis er und seine Mitbürger sich bereit erklärten, Verres die wertvolle Bronzestatue des Merkur auszuhändigen, die der Gemeinde gehörte und im örtlichen gymnasium stand. »Das ist keine Provinz, die Verres da leitet«, murmelte Cicero, »das ist ein durchorganisierter Verbrecherstaat.«
Mit Einverständnis der drei Sizilier packte ich die Unterlagen zusammen und schloss sie in die Geldtruhe des Senators. »Es ist von entscheidender Bedeutung, dass kein Wort von all dem nach außen dringt«, schärfte Cicero ihnen ein. »Tragt auf jeden Fall weiter Aussagen und Beweise zusammen, aber geht bitte diskret vor. Verres hat schon oft zu Gewalt und Einschüchterung gegriffen, und wenn er sich schützen muss, wird er es sicher wieder tun. Wir müssen den Schurken überrumpeln.«
»Bedeutet das, dass du uns hilfst?«, fragte Sthenius, der das kaum zu hoffen gewagt hatte.
Cicero schaute ihn
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