Imperium
an, gab ihm aber keine Antwort.
Als der Senator am Nachmittag von seinen Gerichtsterminen wieder nach Hause kam, machte er sich daran, den Streit mit seiner Frau aus der Welt zu schaffen. Er schickte den jungen Sositheus zu dem alten Blumenmarkt, der sich vor dem Portunus-Tempel auf dem Forum Boarium befand, um einen süß duftenden Strauß Sommerblumen zu kaufen. Diesen gab er der kleinen Tullia und sagte ihr mit feierlicher Stimme, dass er einen wichtigen Auftrag für sie habe. Sie solle ihrer Mutter diesen Strauß bringen und sagen, dass er von einem ungehobelten Bewunderer aus der Provinz stamme. (»Hast du das verstanden, Tulliola? ›Von einem ungehobelten Bewunderer aus der Provinz.‹«) Stolz nahm sie den Strauß und verschwand in Terentias Zimmer. Die Blumen mussten wohl ihren Zweck erfüllt haben, denn an jenem Abend, als die Liegen - Cicero hatte darauf bestanden - aufs Dach getragen wurden und die Familie unter dem sternenklaren Sommerhimmel zu Abend aß, hatte der Strauß einen Ehrenplatz in der Mitte des Tisches.
Ich weiß das deshalb, weil Cicero mich nach dem Essen überraschend nach oben rufen ließ. Es war eine windstille Nacht, kein Lufthauch verwehte die Flammen der Kerzen, und der Duft der Blumen in der warmen Juniluft vermengte sich mit den Geräuschen des nächtlichen Roms unten im Tal - mit Musikfetzen und Stimmen, dem Rufen der Nachtwächter auf dem Argiletum, dem entfernten Bellen der Wachhunde auf dem Gelände des Tempels der Kapitolinischen Trias. Lucius und Quintus lachten gerade über einen Witz von Cicero, und sogar Terentia konnte nicht ganz verbergen, dass sie sich amüsierte, warf mit einer Serviette nach Cicero und ermahnte ihn scherzhaft, dass es jetzt aber genug sei. (Pomponia war glücklicherweise nicht anwesend, sie besuchte ihren Bruder in Athen.)
»Ah, da ist er ja«, sagte Cicero und drehte sich zu mir um. »Tiro, der gewiefteste Politiker von uns allen. Dann kann ich ja nun zur Verkündigung schreiten. Es ist nur recht und billig, wenn er das auch hört. Also: Ich habe mich entschieden, für das Amt des Ädils zu kandidieren.«
»Köstlich!«, rief Quintus lachend, der glaubte, das gehöre noch zu Ciceros Witz. Dann hörte er plötzlich auf zu lachen und sagte verwirrt: »Aber … was soll daran lustig sein?«
»Gar nichts. Lustig wird ' s erst, wenn ich gewinne.«
»Aber du kannst nicht gewinnen. Du hast doch gehört, was Pompeius gesagt hat. Er will nicht, dass du kandidierst.«
»Wer kandidiert, hat Pompeius nicht zu bestimmen. Wir sind freie Bürger Roms, ich treffe meine eigenen Entscheidungen. Und ich habe entschieden, mich um das Amt des Ädils zu bewerben.«
»Es hat aber keinen Sinn, anzutreten, Marcus, wenn man sicher verliert. Das ist doch bloß eine von diesen sinnlosen heroischen Gesten, die unser Lucius hier so mag.«
»Ein Hoch auf sinnlosen Heroismus«, sagte Lucius und hob seinen Becher.
»Aber gegen Pompeius ' Widerstand sind wir chancenlos«, wiederholte Quintus. »Welchen Sinn hat es, sich Pompeius zum Feind zu machen?«
Worauf Terentia erwiderte: »Nach gestern wäre die richtigere Frage, welchen Sinn es hat, Pompeius zum Freund zu haben.«
»Terentia hat recht«, sagte Cicero. »Der Vorfall von gestern war mir eine Lehre. Angenommen, ich hänge die nächsten ein, zwei Jahre an Pompeius ' Lippen und mache den Laufburschen für ihn, immer in der Hoffnung, dass er mir irgendwann mal seine Gunst erweist. Der Senat ist voll von solchen Männern - ohne Hoffnung, alt geworden beim Warten darauf, dass die halbherzig gegebenen Versprechen, die man ihnen gemacht hat, erfüllt werden. Ohne dass sie es überhaupt gemerkt haben, war ihre Chance irgendwann dahin, und sie hatten nichts mehr in der Hand. Eher würde ich mich auf der Stelle aus der Politik zurückziehen, als das zuzulassen. Wenn du Macht willst, dann musst du sie dir nehmen, wenn die Zeit dafür reif ist. Und für mich ist sie jetzt reif.«
»Aber wie willst du das schaffen?«
»Ich werde Gaius Verres wegen Erpressung vor Gericht bringen.«
Er hatte die Katze aus dem Sack gelassen. Seit dem frühen Morgen hatte ich gewusst, dass er es wagen würde - und er auch, da bin ich mir sicher. Aber er wollte sich noch etwas Zeit zum Nachdenken geben, wollte prüfen, ob seine Entscheidung die richtige war. Und er hatte befunden, dass sie absolut richtig war. Ich hatte ihn noch nie entschlossener gesehen. Er sah aus wie ein Mann, der davon überzeugt war, dass die Kraft der Geschichte in
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