Imperium
sie wohl sehr enttäuscht sein.«
»Was für eine Verschwendung«, flüsterte mir Cicero ehrlich entrüstet zu. »Was würde ich für so ein Publikum nicht alles geben! Wie oft kommen schon so viele Wähler an einem einzigen Ort zusammen?«
Aber Pompeius hatte kaum Erfahrung als öffentlicher Redner. Außerdem war er es gewohnt, Männern zu befehlen, nicht, ihnen zu schmeicheln. Er winkte den Menschen ein letztes Mal zu und stieg dann vom Podium. Crassus folgte seinem Beispiel, und der Applaus verebbte allmählich. Es war deutlich spürbar, wie die Stimmung abkühlte. Die Leute standen da und wussten nicht recht, was sie tun sollten. »Was für eine Verschwendung«, wiederholte Cicero. »Was hätte ich ihnen für ein Spektakel geboten.«
Hinter dem Podium befand sich ein kleiner abgeschlossener Bereich, wo sich am Wahltag nach altem Brauch die Magistrate versammelten, bevor sie das Podium bestiegen, um ihres Amtes zu walten. Palicanus führte uns an den Wachen vorbei, und kurz darauf erschien Pompeius. Ein junger schwarzer Sklave reichte ihm ein Tuch, womit er sich den Schweiß von Gesicht und Nacken wischte. Ein Dutzend Senatoren standen schon bereit, um ihn zu begrüßen, und Palicanus schob Cicero unter die Wartenden und zog sich dann mit Quintus, Lucius und mir zurück. Pompeius, gefolgt von Afranius, der ihm die Namen zuflüsterte, schritt die Reihe ab und schüttelte jedem Senator die Hand. »Sehr erfreut«, sagte Pompeius. »Sehr erfreut. Sehr erfreut.« Als er näher kam, konnte ich ihn mir genauer ansehen. Er hatte edle Züge, keine Frage, gleichzeitig offenbarte das rundliche Gesicht aber eine abstoßende Eitelkeit, und seine pompöse, zerstreute Art verstärkte noch den Eindruck, dass es ihn augenscheinlich langweilte, all diese öden Zivilisten treffen zu müssen. Schnell hatte er Cicero erreicht.
»Marcus Cicero, Imperator«, sagte Afranius.
»Sehr erfreut.«
Er wollte schon weitergehen, als Afranius ihn am Ellbogen berührte und flüsterte: »Cicero ist einer der herausragenden Advokaten unserer Stadt, er war uns im Senat von großem Nutzen.«
»Tatsächlich? Nun, ich hoffe, du leistest auch weiterhin so gute Arbeit.«
»Das werde ich«, sagte Cicero schnell. »Ich hoffe, im nächsten Jahr das Amt des Ädils bekleiden zu können.«
»Ädil?« Bereits der Gedanke schien Pompeius zu belustigen. »Nein, nein, das glaube ich kaum. In dieser Richtung habe ich schon andere Pläne. Aber ich bin sicher, dass wir für einen fähigen Anwalt immer eine Verwendung finden.«
Und dann ging er tatsächlich weiter - Sehr erfreut … Sehr erfreut… - und ließ den starr geradeaus blickenden, schwer schluckenden Cicero einfach stehen.
KAPITEL V
Während all der Jahre in seinen Diensten erlebte ich in jener Nacht zum ersten und zum letzten Mal, dass Cicero zu viel trank. Ich hörte, wie er sich beim Abendessen mit Terentia stritt. Und das war keiner von den geistreichen, in eisiger Höflichkeit ausgetragenen Dispute wie sonst, sondern ein lärmendes Spektakel, das durch das ganze Haus hallte. Wie hatte er nur so dumm sein können, einem so offensichtlich ehrlosen Haufen sein Vertrauen zu schenken - Figuren aus Picenum, die nicht mal richtige Römer waren! »Aber du bist ja selbst kein richtiger Römer, was soll man da erwarten …« Dieser Seitenhieb auf seine niedere ländliche Herkunft ging ihm nach wie vor unter die Haut. Es verhieß nichts Gutes, dass ich seine leise, offenbar bösartige Erwiderung darauf nicht verstand. Was immer er auch sagte, es muss verheerend gewesen sein, denn Terentia - keine Frau, die man leicht aus der Fassung bringen konnte - stürzte weinend aus dem Speisezimmer und verschwand nach oben.
Ich hielt es für das Beste, ihn in Ruhe zu lassen. Eine Stunde später jedoch hörte ich ein splitterndes Geräusch, lief ins Speisezimmer und sah, wie Cicero schwankend dastand und die Scherben eines zerbrochenen Tellers auf dem Boden anstarrte. Die Vorderseite seiner Tunika war mit Weinflecken besudelt. »Mir ist übel«, sagte er.
Ich nahm seinen Arm auf meine Schulter und half ihm nach oben - keine leichte Aufgabe, da er schwerer war als ich. Ich legte ihn aufs Bett und zog ihm die Schuhe aus. »Scheidung«, brummte er in sein Kissen. »Scheidung, das ist die einzige Lösung, Tiro, auch wenn ich dann aus dem Senat ausscheiden muss, weil ich es mir nicht mehr leisten kann. Was soll ' s? Kein Mensch wird mich vermissen. Halt noch ein homo novus, der es nicht geschafft hat. Ach, Tiro,
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