Imperium
Blut.«
Der Sklave kam zurück und führte uns ins Tablinum. Der junge Scipio räkelte sich lässig auf einem Sofa, das inmitten von wertvollen, wahllos herumstehenden Kunstobjekten stand - Statuen, Büsten, Antiquitäten, Teppichrollen und Ähnlichem. Er stand nicht auf, als Cicero eintrat (eine Beleidigung gegenüber einem Senator), und bot ihm auch keinen Platz an, sondern fragte mit schleppender Stimme nach dem Grund seines Besuchs. Bestimmt, aber höflich erklärte ihm Cicero, Cato sei sowohl mit der jungen Dame offiziell verlobt wie auch ihr Vormund, sie hätten es folglich mit einem juristisch wasserdichten Fall zu tun. Er deutete auf die Aktenmappe, die ich vor dem Bauch hielt wie ein Diener sein Tablett, listete die Präzedenzfälle auf und endete damit, dass Cato entschlossen sei, vor dem Gericht für Veruntreuungen Klage zu erheben und gleichzeitig einen Antrag auf obsignandi gratia einzureichen, der der jungen Dame jeden weiteren Kontakt mit für diesen Fall relevanten Personen untersage. Er sehe nur einen sicheren Weg, diese Demütigung zu vermeiden, und der sei der, dass Scipio sein Werben umgehend einstelle.
»Was für ein Spinner«, sagte Scipio gelangweilt, ließ sich in die Polster zurücksinken, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und betrachtete lächelnd das Deckengemälde.
»Sonst hast du nichts dazu zu sagen?«, fragte Cicero.
»Nein, das ist alles«, antwortete Scipio. »Lepida!« Daraufhin trat eine ernste junge Frau, die das Gespräch offenbar mitgehört hatte, hinter einem Wandschirm hervor und ging mit grazilen Bewegungen zum Sofa. Sie legte ihre Hand in die seine. »Das ist meine Frau. Wir haben gestern Abend geheiratet. Was du hier siehst, sind die Hochzeitsgeschenke unserer Freunde. Pompeius Magnus ist direkt nach der Opferzeremonie auf dem Kapitol zu uns gekommen, er war unser Trauzeuge.«
»Und wenn Jupiter höchstpersönlich Trauzeuge gewesen wäre«, erwiderte Cicero. »Das macht die Zeremonie noch lange nicht legal.« Trotzdem erkannte ich an seinen leicht herunterhängenden Schultern, dass Ciceros Kampfgeist deutlich gelitten hatte. Besitz, sagen die Juristen, bestimmt zu neun Zehnteln das Gesetz, und Scipio hatte nicht nur Besitz, er hatte auch die eindeutige Zustimmung seiner neuen Braut. »Nun«, sagte Cicero und ließ den Blick über die Hochzeitsgeschenke schweifen. »Da bleibt mir nur, dir zu gratulieren, Scipio, wenn auch nicht im Namen meines Klienten, nehme ich an. Vielleicht darf ich dir als mein Geschenk anbieten, Cato davon zu überzeugen, sich der Realität zu beugen.«
»Das wäre sicher das außergewöhnlichste Geschenk auf Erden«, sagte Scipio.
»Mein Vetter ist im Grunde seines Herzens ein guter Mensch«, fügte Lepida hinzu. »Würdest du ihm meine besten Wünsche ausrichten und meine Hoffnung, dass wir uns eines Tages wieder versöhnen?«
»Natürlich«, sagte Cicero, verbeugte sich feierlich und drehte sich schon um, als er abrupt innehielt. »Das ist ja wirklich ein prachtvolles Stück.«
Er meinte eine etwa halb mannshohe Bronzestatue des nackten Apollo, der auf einer Leier spielte - eine mitten im Tanz eingefangene, erhabene Darstellung maskuliner Eleganz, bei der jedes einzelne Haar auf seinem Kopf, jede Saite des Instruments exakt nachgebildet war. In den Oberschenkel war in winzigen silbernen Lettern der Name des Bildhauers eingearbeitet: Myron.
»Ach, die Statue«, sagte Scipio beiläufig. »Die hat mein berühmter Vorfahr Scipio Africanus wohl mal irgendeinem Tempel geschenkt. Warum? Kennst du sie etwa?«
»Wenn ich mich nicht irre, stammt sie aus dem Tempel des Aeskulap in Agrigent.«
»Ja, richtig«, sagte Scipio. »Aus Sizilien. Verres hat sie von den Priestern da unten bekommen und sie mir gestern Abend zum Geschenk gemacht.«
Auf diese Weise erfuhr Cicero, dass Gaius Verres nach Rom zurückgekehrt war und schon seine korrupten Fühler ausstreckte. »Dieser Dreckskerl!«, rief Cicero aus, während wir den Berg hinuntergingen. Immer wieder ballte er in ohnmächtiger Wut die Fäuste. »Dieser verdammte Dreckskerl!« Er hatte allen Grund, beunruhigt zu sein. Wenn der junge Scipio von Verres einen Myron bekommen hatte, dann waren die Stücke, mit denen er Hortensius, die Metellus-Brüder und seine anderen prominenten Verbündeten im Senat bestochen hatte, noch fetter gewesen. Und das waren genau die Männer, aus denen man für einen Prozess die Geschworenen auswählen würde. Dass außerdem Pompeius Gast der gleichen
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