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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Hände betrachtete und so friedlich wirkte wie ein Sommermorgen. Auch der Mann, der neben ihm saß, gab sich sehr entspannt. Er war etwa Mitte vierzig, hatte rötliches, borstiges Haar und ein Gesicht voller Sommersprossen. Das musste Gaius Verres sein. Es war ein komisches Gefühl, dieses Monster, das unsere Gedanken so lange beschäftigt hatte, mit eigenen Augen zu sehen und festzustellen, dass er ziemlich gewöhnlich aussah - eigentlich mehr Fuchs als Eber.
    Für die beiden konkurrierenden Ankläger waren zwei Stühle aufgestellt worden. Caecilius, der schon Platz genommen hatte, blickte nicht mal auf, als Cicero eintraf, so vertieft war er in die Notizen, die auf seinem Schoß lagen. Die Anwesenden wurden zur Ordnung gerufen, und Glabrio sagte zu Cicero, dass er beginnen müsse, da er seinen Antrag als Erster gestellt habe - ein entscheidender Nachteil. Cicero zuckte mit den Schultern und erhob sich. Er wartete, bis absolute Stille herrschte, dann begann er wie üblich sehr langsam zu sprechen. Er sagte, dass sich die Anwesenden sicher wunderten, ihn hier in dieser Rolle zu sehen, schließlich sei er vor Gericht noch nie als Ankläger aufgetreten. Er hätte dies auch in diesem Fall nicht vorgehabt, sondern hätte vielmehr im Vorfeld die Sizilier dringend darum gebeten, Caecilius die Anklagevertretung zu übertragen. (Fast hätte ich laut aufgestöhnt, als er dies sagte.) Aber in Wahrheit seien die Sizilier nicht der einzige Grund, warum er sich zu diesem Schritt entschlossen habe. »Ich stehe hier, weil mir das Wohl unseres Landes am Herzen liegt.« Dann ging er mit sorgfältig bemessenen Schritten zu der Bank, wo Verres saß, hob langsam den Arm und zeigte auf ihn. »Wir blicken hier auf ein menschliches Ungeheuer von beispielloser Gier, Dreistigkeit und Niedertracht. Sollte ich diesen Mann seiner Strafe zufuhren, wer könnte mir das zum Vorwurf machen? Welch größeren Dienst im Namen von Gerechtigkeit und Tugend könnte ich meinem Land in dieser Zeit erweisen?« Verres war nicht im Mindesten empört, kopfschüttelnd, mit einem Grinsen auf den Lippen, schaute er Cicero herausfordernd an. Cicero musterte ihn noch eine Zeit lang voller Verachtung und wandte sich dann den Geschworenen zu. »Die Anklage gegen Gaius Verres lautet, dass er über einen Zeitraum von drei Jahren die Provinz Sizilien verwüstet hat - dass er sizilische Kommunen geplündert, sizilische Häuser, sizilische Tempel ausgeraubt hat. Könnte Sizilien mit einer einzigen Stimme sprechen, es würde sagen: ›Alles Gold und alles Silber, all die herrlichen Dinge, die einst meine Städte, meine Häuser und Tempel geschmückt haben, all das hast du, Verres, mir gestohlen; und aufgrund dessen verklage ich dich in Übereinstimmung mit den Gesetzen Roms auf Zahlung von einer Million Sesterzenn!‹ Das wären Siziliens Worte, wenn es mit einer Stimme sprechen könnte. Da es das aber nicht kann, hat es mich dazu bestimmt, seine Sache zu vertreten. Welch unglaubliche Dreistigkeit ist es dann, dass du …«,und damit wandte er sich schließlich Caecilius zu, »… es wagst, für Sizilien sprechen zu wollen, wenn dieses sich schon gegen dich ausgesprochen hat.«
    Dann ging er gemächlich zu Caecilius, stellte sich hinter ihn und stieß einen übertrieben traurigen Seufzer aus. »Und jetzt, Caecilius, lass mich als Freund zu dir sprechen«, sagte er und klopfte Caecilius auf die Schultern, sodass sein Rivale sich auf seinem Stuhl umdrehen musste, was ziemlich linkisch wirkte und einige Heiterkeit im Publikum hervorrief. »Ich kann dir nur den ernsthaften Rat geben, noch mal in dich zu gehen. Besinne dich. Bedenke, wer du bist und wessen du fähig bist. Eine Anklagevertretung ist ein äußerst kniffeliges und mühsames Unterfangen. Ist deine Stimme, dein Erinnerungsvermögen dafür gerüstet? Verfügst du über die Intelligenz und das Stehvermögen, einer solchen Belastung standzuhalten? Selbst wenn du dich des Vorzugs außerordentlicher natürlicher Gaben erfreutest, selbst wenn du eine gründliche Ausbildung genossen hättest, könntest du darauf hoffen, den Druck auszuhalten? Nun, heute Morgen werden wir es erfahren. Solltest du Antworten auf meine Fragen haben, solltest du mit einer einzigen Erwiderung aufwarten können, die nicht schon in irgendeinem Lehrbuch mit anderer Leute Reden enthalten ist, dann besteht vielleicht die Möglichkeit, dass du dich in dem hier anhängigen Fall nicht als Versager erweist.«
    Er ging jetzt in die Mitte des

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