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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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hatte sich einige Verdienste erworben. Man könnte sogar sagen, dass einige Punkte für ihn als Ankläger sprachen. Besonders als er auszuführen begann, dass sein Vater ein Freigelassener aus Sizilien sei, er selbst in Sizilien geboren sei und dass er keinen Ort auf der Welt mehr liebe als diese Insel. Aber seine Rede quoll über vor Statistiken über die sinkende Agrarproduktion und Verres ' System der Buchführung. Er klang gereizt, es fehlte die Leidenschaft. Schlimmer noch, er las alles vom Blatt ab, und das auch noch mit so monotoner Stimme, dass Cicero, als Caecilius sich nach einer Stunde schließlich dem Fazit näherte, seinen Oberkörper auf die Seite kippen ließ und so tat, als sei er eingeschlafen. Da Caecilius, der sich den Geschworenen zugewandt hatte, nicht sehen konnte, worüber alle lachten, verlor er völlig den Faden. Er verhaspelte sich mehrmals, ehe er zum Ende seiner Rede kam, und setzte sich dann mit vor Verlegenheit und Zorn hochrotem Kopf wieder auf seinen Platz.
    Rhetorisch hatte Cicero einen Sieg von erdrutschartigen Ausmaßen errungen. Aber als die Abstimmungstäfelchen an die Geschworenen ausgegeben waren und der Gerichtsdiener mit seiner Urne darauf wartete, sie wieder einzusammeln, da war er davon überzeugt, erzählte mir Cicero später, dass er verloren hatte. Von den zweiunddreißig Senatoren zählte er mindestens ein Dutzend zu seinen entschiedenen Gegnern und nur halb so viele zu seinen Freunden. Die Unentschiedenen würden wie üblich den Ausschlag geben. Cicero sah, dass viele dieser Unentschlossenen zu Catulus schielten und auf ein Zeichen von ihm warteten, um sich seiner Entscheidung anzuschließen. Catulus markierte sein Täfelchen, zeigte es den links und rechts neben ihm sitzenden Männern und warf es dann in die Urne. Als jeder abgestimmt hatte, ging der Gerichtsdiener mit der Urne zum Richterstuhl, kippte sie vor ihm aus und begann vor aller Augen, die Tafeln auszuzählen. Hortensius ließ die Maske der Gelassenheit fallen und stand ebenso wie Verres auf, um besser sehen zu können. Cicero saß starr da wie eine Statue. Caecilius kauerte auf seinem Stuhl. Zuschauer, die regelmäßig zu den Verhandlungen kamen und das Prozedere so gut kannten wie jeder Pächter, horte ich flüstern, dass es knapp sei, dass sie noch mal nachzählten. Schließlich reichte der Gerichtsdiener Glabrio das Abstimmungsergebnis. Er stand auf und bat um Ruhe. Das Ergebnis laute, sagte er, vierzehn für Cicero - mir stockte der Atem, er hatte verloren! -, dreizehn für Caecilius, fünf Enthaltungen. Somit werde Marcus Tullius Cicero zum Sonderermittler (nominis delator) für den Fall Gaius Verres ernannt. Während die Zuschauer applaudierten und Hortensius und Verres sich wie betäubt wieder setzten, ließ Glabrio Cicero aufstehen, die rechte Hand heben und den traditionellen Schwur leisten, die Anklage nach bestem Wissen und Gewissen durchzuführen.
    Sofort nach Ablegung des Eids stellte Cicero den Antrag auf Vertagung. Hortensius fuhr von seinem Stuhl auf und erhob Einspruch. Warum das nötig sei, wollte er wissen. Cicero sagte, er wolle nach Sizilien reisen, um Beweismittel sicherzustellen und Zeugen zu laden. Hortensius fiel ihm ins Wort, es sei eine Ungeheuerlichkeit, für sich das Recht auf Anklage einzufordern, um dann mit dem ersten Satz zu enthüllen, dass er dem Gericht gar keinen Fall präsentieren könne. Das war ein berechtigter Einwand. Zum ersten Mal wurde mir klar, wie groß Ciceros Zweifel an der Stärke seiner eigenen Position gewesen sein mussten. Glabrio schien Hortensius zustimmen zu wollen, als Cicero ins Feld führte, dass sich erst jetzt, nachdem Verres seine Provinz verlassen habe, die Opfer sicher genug fühlten, um frei zu sprechen. Glabrio dachte darüber nach, schaute auf den Kalender und verkündete dann widerstrebend, dass der Prozessbeginn um hundertzehn Tage verschoben werde. »Aber stell sicher, dass du sofort am ersten Tag nach der Sitzungspause im Frühling zur Klageerhebung bereit bist«, sagte er mit warnendem Unterton zu Cicero. Damit war das Gericht entlassen.
     

     
    Später stellte Cicero überrascht fest, dass er den Sieg Catulus verdankte. Der harte und hochmütige alte Senator war trotz allem ein Patriot bis ins Mark, weshalb seine Ansichten hohes Ansehen genossen. Er war der Meinung, dass das Volk gemäß der altehrwürdigen Gesetze das Recht auf die härtestmögliche Strafverfolgung von Verres habe, auch wenn dieser ein Freund von ihm war. Die

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