Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
Vom Netzwerk:
mindestens fünfzig gab es jedes Jahr neu zu besetzen -, und dass niemand Ciceros Ankündigung den historischen Stellenwert beimaß, den er ihr selbst beimaß. Was die Anklage betraf, so lag der erste Wirbel, den er wegen Verres veranstaltet hatte, schon über ein Jahr zurück. Und die Leute, wie er selbst immer wieder sagte, haben ein kurzes Gedächtnis: Was da mit diesem kriminellen Statthalter von Sizilien gewesen war, das hatten sie alle schon wieder vergessen. Ich sah Cicero an, dass er in ein tiefes Loch gefallen war, dass er schrecklich litt. Selbst Lucius, der es sonst eigentlich immer schaffte, ihn zum Lachen zu bringen, konnte ihn nicht aufmuntern.
    Zu Hause versuchten Quintus und Lucius, Cicero auf andere Gedanken zu bringen, indem sie ihm Verres ' und Hortensius ' Reaktion auf die Klageerhebung vorspielten: Der Sklave kommt abgehetzt aus dem Forum angelaufen, erzählt die Neuigkeit, Verres wird leichenblass, beruft sofort eine Krisensitzung ein. Es half alles nichts. Vermutlich musste Cicero immer an Servilias Warnung und an Hortensius ' und Verres ' Gelächter am Tag der Amtseinführung denken. »Sie wussten, was geschehen würde«, sagte er. »Sie haben schon einen Plan. Die Frage ist: Was für einen? Vielleicht wissen sie, dass unsere Beweise ziemlich dürftig sind. Vielleicht haben sie Glabrio bestochen. Was ist es?«
    Noch vor Mittag hatte er die Antwort. Sie kam, zugestellt durch einen von Glabrios Liktoren, in Form einer Vorladung vom Gerichtshof für Erpressungen. Stirnrunzelnd nahm Cicero das Schreiben entgegen, brach das Siegel auf, überflog es und sagte dann leise: »Ah …«
    »Was ist?«, fragte Lucius.
    »Das Gericht hat einen zweiten Antrag auf Strafverfolgung von Verres erhalten.«
    »Das ist unmöglich«, sagte Quintus. »Wer sollte denn sonst noch Interesse daran haben?«
    »Ein Senator«, antwortete Cicero, während er das Schreiben genauer studierte. »Caecilius Niger.«
    »Den kenne ich«, sagte Sthenius mit piepsender Stimme. »In dem Jahr, bevor ich fliehen musste, war das Verres ' Quästor. Es gingen Gerüchte um, dass er und Verres sich wegen Geld gestritten hätten.«
    »Hortensius hat das Gericht davon unterrichtet, dass Verres keine Einwände habe gegen eine von Caecilius vertretene Anklage. Begründung: Caecilius wolle ›Wiedergutmachung‹ erreichen, während ich anscheinend nur ›das Licht der Öffentlichkeit suche.‹«
    Entsetzt schauten wir uns an. Die Arbeit von Monaten schien sich in Luft aufzulösen.
    »Wirklich schlau«, sagte Cicero trübsinnig. »Das muss man Hortensius lassen. Ein wirklich schlauer Kerl, dieser Hortensius. Ich hätte eher damit gerechnet, dass er den ganzen Fall ohne Anhörung niederschlägt. Nie hätte ich gedacht, dass er stattdessen versuchen würde, außer der Verteidigung auch gleich noch die Anklage für sich zu beanspruchen.«
    »Aber das kann er nicht!«, platzte es aus Quintus heraus. »Das römische Rechtssystem ist das gerechteste der Welt.«
    »Quintus, mein Guter«, erwiderte darauf Cicero mit derart gönnerhaftem Sarkasmus, dass es mir fast wehtat. »Wo schnappst du bloß solche Sprüche auf? In Kinderbüchern? Glaubst du etwa, Hortensius beherrscht seit fast zwanzig Jahren Roms Gerichtssäle, weil er gerecht ist? Das hier ist eine Vorladung. Ich werde für morgen früh vor den Gerichtshof für Erpressungen zitiert, um meine Gründe darzulegen, warum man mir und nicht Caecilius die Anklagevertretung übertragen soll. Ich muss vor Glabrio und einer kompletten Geschworenenbank meine Eignung unter Beweis stellen. Dabei dürft ihr eins nicht vergessen: Von den zweiunddreißig Senatoren, die da als Geschworene fungieren, haben sicherlich nicht wenige erst kürzlich ein nettes Neujahrsgeschenk aus Bronze oder Marmor erhalten.«
    »Aber die Opfer sind doch wir Sizilier!«, sagte Sthenius. »Wir entscheiden, wer uns als Anwalt vertritt.«
    »Ganz und gar nicht. Der Ankläger wird vom Gericht offiziell ernannt und ist als solcher Repräsentant des römischen Volkes. Eure Meinung wird gehört, Sthenius, ist aber nicht ausschlaggebend.«
    »Heißt das, dass wir erledigt sind?«, fragte Quintus mit kläglicher Stimme.
    »Nein«, antwortete Cicero. »Wir sind nicht erledigt.« Ich merkte sofort, dass ein Teil vom alten Kampfgeist in ihm wieder erwacht war. Nichts bewirkte einen größeren Energieschub bei Cicero als der Gedanke, von Hortensius ausgetrickst zu werden. »Und selbst wenn wir erledigt sind, lasst uns wenigstens nicht kampflos

Weitere Kostenlose Bücher