Imperium
Aristokraten und von Pompeius ' und Crassus ' Anhängern unterstützt. Dennoch herrschte zu solchen Anlässen immer eine Art Renntagsatmosphäre. Im morgendlichen Sonnenschein strömten die Kandidaten und ihre Anhänger aus der Stadt zu den Wahlurnen, und die umtriebigen Ladenbesitzer bestückten ihre Verkaufsstände mit Wein und Würsten, Würfelspielen und Sonnenschirmen und was man sonst noch alles zu einem kurzweiligen Wahltag benötigte. Wie es uralter Brauch vorschrieb, stand der scheidende erste Konsul Pompeius mit einem Auguren an seiner Seite am Eingang des Zeltes für den Wahlleiter. Als alle Kandidaten für die Konsuln- und Prätorenämter, vielleicht zwanzig Senatoren, in ihren weißen Togen Aufstellung genommen hatten, stieg Pompeius auf das Podium und sprach das traditionelle Gebet. Danach begann die Abstimmung, und die Wähler hatten nun nichts mehr zu tun, als schwatzend herumzustehen, bis sie an die Reihe kamen.
Das war die alte Republik in Aktion. Alle Männer stimmten im Verbund ihrer Zenturien ab, wie in früheren Zeiten, als sie als Soldaten ihren Heerführer gewählt hatten. Jetzt, da das Ritual bedeutungslos geworden ist, kann man kaum noch vermitteln, wie bewegend dieses Schauspiel war, selbst für einen Sklaven wie mich, der kein Wahlrecht hatte. Es verkörperte etwas Wunderbares - einen plötzlichen Impuls des menschlichen Geistes, der vor einem halben Jahrtausend in den unbeugsamen Menschen aufflackerte, die inmitten der harten Felsen und dem weichen Marschland der Sieben Hügel gelebt hatten: ein Impuls, der zum Licht der Würde und Freiheit drängte, weg von der Dunkelheit viehischer Abhängigkeit. Und diesen Impuls haben wir verloren. Nicht dass es sich dabei um eine reine Demokratie gehandelt hätte, wie sie uns Aristoteles beschrieben hatte, ganz und gar nicht. Die Rangfolge unter den Zenturien, von denen es einhundertdreiundneunzig gab, wurde durch den Reichtum ihrer Mitglieder bestimmt. Die wohlhabendsten Schichten wählten stets zuerst und verkündeten immer das Ergebnis: ein entscheidender Vorteil. Diese Zenturien profitierten auch davon, dass sie nur wenige Mitglieder hatten, während es in den Zenturien der riesigen Elendsviertel wie zum Beispiel Subura vor Menschen wimmelte. Folglich zählte die Stimme eines Reichen mehr als die eines Armen. Trotzdem, es war die Freiheit, wie sie seit Hunderten von Jahren praktiziert wurde, und an jenem Tag auf dem Marsfeld wäre niemandem im Traum eingefallen, dass er es erleben würde, sie zu verlieren.
Zwei Stunden vor Vormittag, es begann langsam heiß zu werden, wurde Ciceros Zenturie aufgerufen. Sie war eine von zwölf Zenturien, deren Mitglieder ausschließlich dem Ritterstand angehörten. Er schlenderte mit seinen Kollegen in die mit Seilen abgesperrte Zone, bearbeitete aber die Menschen jenseits der Absperrung auf die ihm eigene Art und Weise weiter - mit einem Wort hier, einer Berührung des Ellbogens dort. Dann bildeten sie eine Schlange und gingen im Gänsemarsch an einem Tisch vorbei, wo Schreiber die Namen überprüften und die Abstimmungstafeln aushändigten. Wenn es zu Annäherungsversuchen kam, dann in der Regel hier, weil die Parteigänger der Kandidaten an dieser Stelle ganz nah an die Wähler herankamen und ihnen Versprechungen oder Drohungen zuflüstern konnten. Diesmal blieb jedoch alles ruhig. Ich sah, wie Cicero über die schmale Holzbrücke ging und hinter der Bretterwand verschwand, um seine Stimme abzugeben. Als er auf der anderen Seite wieder auftauchte, ging er an den unter einem Baldachin wartenden Kandidaten und deren Freunden vorbei, blieb kurz stehen, um mit Palicanus zu plaudern - der Exvolkstribun mit der etwas derberen Ausdrucksweise kandidierte für eines der Prätorenämter -, und verließ den abgesperrten Bereich, ohne Hortensius oder Metellus eines weiteren Blickes zu würdigen.
Wie alle Zenturien vor ihr stimmte auch Ciceros Zenturie für die offizielle Kandidatenliste: Hortensius und Metellus als Konsuln, Marcus Metellus und Palicanus als Prätoren. Jetzt ging es nur noch darum, so lange zu wählen, bis eine absolute Mehrheit erreicht war. Die Ärmeren wussten natürlich, dass ihre Stimme auf den Ausgang keinen Einfluss hatte. Aber die Würde des Wahlprivilegs ließ sie geduldig den ganzen Tag in der Sonne ausharren, bis sie an der Reihe waren, um über die Holzbrücke gehen und ihre Stimme abgeben zu können. Wir wanderten an den Schlangen entlang, wobei Cicero um Stimmen für seine Wahl zum Ädil
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