Imperium
nächsten Augenblick waren Quintus und ich bei ihm. Seine Backen waren leichenblass, leuchtend rotes Blut tropfte von seiner Nase, der schlaffe Mund stand offen.
Quintus geriet in Panik. »Los, hol Terentia«, rief er. »Schnell!«
Ich lief nach oben zu ihrem Zimmer, klopfte und sagte, dass es Cicero nicht gut gehe. Sie kam sofort heraus, lief nach unten und übernahm auf bewundernswerte Weise sogleich das Kommando. Inzwischen war Cicero wieder halbwegs bei Bewusstsein und saß mit dem Kopf zwischen den Knien auf dem Stuhl. Terentia kniete sich neben ihn auf den Boden, verlangte nach Wasser, zog dann einen Fächer aus dem Ärmel und fing an, ihm heftig Luft zuzufächeln. Quintus hatte inzwischen meine beiden Gehilfen losgeschickt, um irgendwo in der Nachbarschaft einen Arzt aufzutreiben. Kurze Zeit später tauchten beide mit je einem griechischen Arzt im Schlepptau wieder auf. Die elenden Quacksalber bekamen sich augenblicklich über die Frage in die Haare, was zu tun sei: Abführmittel oder Aderlass? Terentia warf beide aus dem Haus - nicht ohne sie vorher scharf zu ermahnen, kein Wort über das Gesehene verlauten zu lassen. Sie verwarf auch Quintus ' Vorschlag, Cicero sofort ins Bett zu stecken. Sollte das bekannt werden, dann würde aus der schon jetzt weitverbreiteten Annahme, ihr Mann sei am Ende, schnell eine gesicherte Tatsache. Sie fasste ihn unter, half ihm aufzustehen und führte ihren unsicher einen Fuß vor den anderen setzenden Ehemann hinaus ins Atrium, wo die Luft nicht ganz so stickig war. Quintus und ich folgten ihnen. »Du bist nicht am Ende!«, hörte ich sie mit fester Stimme sagen. »Du hast einen Prozess zu führen, reiß dich zusammen!« Cicero brummte irgendeine Antwort.
»Das ist alles gut und schön, Terentia«, platzte es aus Quintus heraus. »Aber das Neueste weißt du ja noch gar nicht.« Und dann erzählte er ihr von Marcus Metellus ' Ernennung zum Vorsitzenden des Gerichtshofes für Erpressungen und welche Konsequenzen das hätte. Mit Metellus als Pächter hätten sie nicht die geringste Chance auf einen Schuldspruch, was bedeutete, dass ihre einzige Hoffnung jetzt sei, die Anhörung bis Ende Dezember abzuschließen. Das aber sei angesichts von Hortensius ' Geschick, jedes Verfahren endlos in die Länge zu ziehen, so gut wie unmöglich. Für die Menge an Beweisen reiche einfach die Zeit nicht. Sie hätten bis zum Beginn von Pompeius ' Spielen gerade mal zehn Gerichtstage, und die würde schon fast Ciceros Eröffnungsrede beanspruchen. Er hätte also gerade mal seinen Fall skizziert, dann würde das Gericht für den größten Teil des Monats die Verhandlung aussetzen, und danach hätten die Geschworenen Ciceros brillante Argumente schon wieder vergessen. »Nicht dass das eine große Rolle spielte«, setzte Quintus düster hinzu. »Die meisten stehen jetzt schon auf Verres ' Lohnliste.«
»Er hat recht«, sagte Cicero. Als sei er in dieser Sekunde erst wieder zu sich gekommen und würde gerade feststellen, wo er sich überhaupt befand, schaute er sich verwirrt um. »Ich muss meine Kandidatur zurückziehen«, murmelte er. »Eine Niederlage wäre schon demütigend genug, aber zu gewinnen und dann nicht die Mittel zu haben, um seinen Amtspflichten nachzukommen, das wäre noch demütigender.«
»Jammerlappen«, sagte Terentia wütend und ließ ruckartig Ciceros Arm los. »Wenn du schon beim ersten Rückschlag klein beigibst, ohne dich auch nur zu wehren, dann hast du nicht verdient, gewählt zu werden.«
»Meine Liebe«, sagte Cicero in flehendem Tonfall und drückte die Hand gegen die Stirn. »Wenn du mir erklärst, wie ich die Zeit besiegen soll, dann werde ich mich auf der Stelle wehren. Was soll ich tun, wenn ich nur zehn Tage habe, um meine Anklage vorzutragen, und die Verhandlung dann wochenlang unterbrochen ist?«
Terentia beugte sich so weit zu ihm vor, dass ihr Gesicht nur wenige Zentimeter von seinem entfernt war. »Dann streich sie zusammen, deine Rede!«, zischte sie.
Nachdem sich seine Frau wieder in ihre Räume zurückgezogen hatte, ging der von seinem Nervenzusammenbruch immer noch geschwächte Cicero in sein Arbeitszimmer, setzte sich auf seinen Stuhl und starrte lange Zeit die Wand an. Wir ließen ihn allein. Kurz vor Sonnenuntergang kam Sthenius zu Besuch und erzählte, dass Quintus Metellus alle Zeugen aus Sizilien zu sich bestellt habe und dass ein paar von den Ängstlichen dumm genug gewesen seien zu gehorchen. Einer hatte Sthenius ausführlich berichtet,
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