Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
Vom Netzwerk:
dass Metellus versucht habe, sie unter Druck zu setzen, damit sie ihre Aussagen zurückzögen. »Ich bin der designierte Konsul«, hatte er gewettert. »Einer meiner Brüder ist Statthalter von Sizilien, der andere wird den Vorsitz im Gerichtshof für Erpressungen übernehmen. Es sind schon zahlreiche Vorkehrungen getroffen worden, die verhindern werden, dass Verres zu Schaden kommt. Wir werden nicht vergessen, wer sich gegen uns gestellt hat.« Ich notierte mir den genauen Wortlaut auf einem Täfelchen und betrat vorsichtig Ciceros Arbeitszimmer. Er saß genau so da, wie ich ihn vor Stunden verlassen hatte. Ich las ihm vor, was Metellus gesagt hatte, doch er reagierte nicht.
    Sein Zustand beunruhigte mich jetzt ernsthaft, und ich hätte wohl wieder seinen Bruder oder seine Frau geholt, wäre sein Geist aus den Sphären, in denen er geschwebt hatte, nicht plötzlich wieder zu uns zurückgekehrt. Ohne den starren Blick von der Wand zu wenden, sagte er in grimmigem Tonfall: »Geh zu Pompeius und melde mich für heute Abend bei ihm an.« Als ich nicht sofort reagierte, weil mir der Gedanke kam, dass dies nur ein neues Symptom seiner Unpässlichkeit sei, herrschte er mich an: »Na los!«
    Es war nicht weit bis zu Pompeius, sein Haus lag im gleichen Viertel am Esquilin wie das von Cicero. Die Sonne war gerade untergegangen, aber es war immer noch hell und schwülheiß, und von Osten blies eine bleiern sanfte Brise - die im Hochsommer schlimmstmögliche Kombination, weil so der Gestank der verwesenden Leichen vom öffentlichen Friedhof von jenseits der Stadtmauer bis in unser Viertel drang. Ich glaube, das Problem ist heute nicht mehr so akut, aber damals war die Porta Esquilina der Ort, wo man alles ablud, was tot und keiner Beerdigung wert war - Katzen, Hunde, Pferde, Esel, Sklaven, arme Leute, Totgeburten. Alles lag durcheinander und verrottete zusammen mit dem Hausmüll. Der Gestank lockte immer große Schwärme kreischender Möwen an, und ich weiß noch, dass er an diesem Abend besonders stechend war, ein ranziger, alles durchdringender Geruch, den man nicht nur roch, sondern auch auf der Zunge schmeckte.
    Pompeius ' Haus war viel pompöser als das von Cicero. Vor der Eingangstür waren zwei Liktoren postiert, von der anderen Straßenseite gafften ein paar Schaulustige herüber. An der Hauswand stand ein halbes Dutzend überdachter Sänften, deren Träger auf dem Boden hockten und würfelten - Hinweis darauf, dass eine große Abendgesellschaft im Gang war. Ich übergab meine Nachricht dem Türwächter, der im Haus verschwand und kurze Zeit später mit Palicanus zurückkam. Der designierte Prätor wischte sich mit einer Serviette das fettige Kinn ab. Er erkannte mich, fragte, worum es ginge, und ich übermittelte ihm Ciceros Wunsch. »Na endlich«, sagte Palicanus auf seine direkte Art. »Sag ihm, dass der Konsul ihn sofort empfangen wird.«
    Cicero muss gewusst haben, dass Pompeius ihn empfangen würde, denn als ich zurückkam, hatte er sich schon umgezogen und war startbereit. Er war immer noch sehr blass. Er wechselte einen letzten Blick mit Quintus, dann gingen wir. Wir sprachen unterwegs kein Wort, da Cicero, der es hasste, an den Tod erinnert zu werden, die ganze Zeit den Ärmel auf Mund und Nase presste, um nicht den Gestank vom Campus Esquilinus riechen zu müssen. »Warte hier«, sagte er, als wir Pompeius ' Haus erreichten. Es sollte einige Stunden dauern, bis ich ihn wiedersah. Das Tageslicht verblasste, das kraftvolle Purpur des Zwielichts verwandelte sich in schwarze Nacht, und die Sterne erschienen über der Stadt. Hin und wieder ging die Tür auf, und ich hörte gedämpfte Stimmen und Gelächter, und der Duft von gebratenem Fleisch und Fisch stieg mir in die Nase. Allerdings hatte ich in jener widerlichen Nacht das Gefühl, dass alles nach Tod roch. Ich wunderte mich, dass Ciceros Magen das mitmachte, denn inzwischen war klar, dass Pompeius ihn zum Essen eingeladen haben musste.
    Ich vertrat mir die Beine oder lehnte einfach an der Wand, versuchte mir neue Zeichen für mein hervorragendes Kurzschriftsystem auszudenken oder meinen Geist irgendwie anders zu beschäftigen, um mir die Wartezeit zu vertreiben. Schließlich machten sich die Gäste schwankend auf den Heimweg. Viele konnten kaum noch gerade stehen, so betrunken waren sie. Es handelte sich um die übliche picenische Landsmannschaft: den ehemaligen Prätor und begeisterten Tänzer Afranius, Palicanus und Gabinius, Palicanus ' Schwiegersohn, dem

Weitere Kostenlose Bücher