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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Wahl ließ zwischen zwei gleichermaßen widerwärtigen Optionen.
    Am nächsten Morgen war fast alles wie an allen anderen Prozesstagen zuvor: das übliche Gefolge, die übliche Menschenmenge, die uns an den üblichen Stellen erwartete. Nur zwei Dinge waren anderes. Verres war nicht da, und zwanzig oder dreißig Wachposten schirmten das Podium des Gerichts ab. Glabrio eröffnete die Sitzung und wies in einer kurzen Rede daraufhin, dass er Störungen wie die von gestern nicht noch einmal dulden werde. Dann erteilte er Hortensius das Wort.
    »Aufgrund seiner schlechten gesundheitlichen Verfassung …«, begann Hortensius, wurde aber schon nach diesen ersten Worten von schallendem Gelächter unterbrochen. Es dauerte eine Zeit lang, bis er fortfahren konnte. »Aufgrund seiner schlechten gesundheitlichen Verfassung«, wiederholte er, »hervorgerufen durch die Belastung der letzten Tage, und weil ihm daran gelegen ist, die Geschäfte des Staates nicht weiter zu beeinträchtigen, verzichtet mein Klient Gaius Verres auf die weitere Verteidigung gegen die durch den Sonderermittler vorgebrachten Beschuldigungen.«
    Er setzte sich wieder. Im Gegensatz zu den Siziliern, die den Rückzug mit Beifall aufnahmen, zeigten die Zuschauer kaum eine Reaktion. Sie warteten darauf, dass Cicero wieder die Initiative ergriff. Er stand auf und bedankte sich bei Hortensius für dessen Erklärung - »ein klein bisschen kürzer, als wir sie in dieser Umgebung von dir gewöhnt sind« - und forderte die Höchststrafe nach Cornelischem Recht: die dauerhafte Aberkennung aller Bürgerrechte, »auf dass Gaius Verres weder für seine früheren Opfer noch für eine korrekte Verwaltung der römischen Republik je wieder zur Gefahr werden kann«. Zum ersten Mal an diesem Morgen brandete Jubel auf.
    »Ich wünschte«, fuhr Cicero fort, »dass ich seine Verbrehen ungeschehen machen und Menschen wie Göttern all das ersetzen könnte, was er ihnen gestohlen hat. Ich wünschte, ich könnte den Schreinen der Juno auf Malta und Samos ihre Opfergaben und Schmuckstücke zurückgeben. Ich wünschte, Minerva könnte die Verzierungen ihres Tempels in Syrakus wiedersehen. Ich wünschte, ich könnte der Stadt Segesta ihre Statue der Diana und den Menschen von Tyndaris die ihre des Merkur zurückgeben. Ich wünschte, ich konnte das der Ceres zugefügte doppelte Unrecht ungeschehen machen, als man ihre Statuen sowohl aus Henna wie aus Catina geraubt hat. Aber der Schurke ist über alle Berge, zurückgelassen hat er nur die leeren Wände und nackten Böden seiner Häuser hier in Rom und auf dem Land. Nichts weiter kann beschlagnahmt und verkauft werden. Sein Anwalt taxiert den Wert auf anderthalb Millionen Sesterzen, und so kann ich als Wiedergutmachung für Verres ' Verbrechen auch nur diese Summe fordern.«
    Einige Zuschauer buhten, einer anderer rief: »Viel zu wenig!«
    »Das ist zu wenig, ganz meine Meinung. Vielleicht sollen einige von denen, die heute hier zu Gericht sitzen und Verres früher, als er noch ein aufgehender Stern war, verteidigt haben, und einige von denen, die ihm für den Fall, dass sie zu den Geschworenen gehören sollten, ihre Unterstütung zugesagt haben, vielleicht sollten die einmal ihr Gewissen prüfen … oder auch den Inhalt ihrer Villen!«
    Hortensius sprang auf und legte Einspruch ein: Der Vertreter der Anklage spreche in Rätseln.
    »Seltsam«, erwiderte Cicero schlagfertig. »Verres hat ihm doch eine Elfenbeinsphinx verehrt, da müsste unserem designierten Konsul das Lösen von Rätseln doch leicht von der Hand gehen.«
    Das war kein geplanter Scherz, da Cicero nicht im Voraus wissen konnte, wie Hortensius auf seine Worte reagieren würde. Allerdings - nachdem ich den Satz niedergeschrieben habe und jetzt noch einmal darüber nachdenke - komme ich mir doch etwas blauäugig vor. Vielleicht gehörte die Antwort zu dem Fundus an geistreichen Spontanbemerkungen, die Cicero bei Kerzenlicht regelmäßig durchging, um sie bei passender Gelegenheit parat zu haben. Wie auch immer, die Episode beweist jedenfalls, wie wichtig Humor bei einem öffentlichen Auftritt sein kann. Das Einzige von diesem letzten Verhandlungstag, woran sich die Menschen noch erinnern, ist Ciceros Bemerkung über die Elfenbeinsphinx. Jetzt, im Nachhinein, weiß ich allerdings gar nicht mehr, was so besonders lustig daran war. Jedenfalls entfesselte der Satz Lachstürme und verwandelte eine unangenehme in eine weitere triumphale Rede. Setz dich schnell wieder hin! So hatte

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