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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Molons Rat gelautet, wenn alles bestens lief, und genau das tat Cicero. Ich reichte ihm ein Handtuch, mit dem er sich unter dem Beifall der Menschen das Gesicht abtupfte und die Hände trocknete. Seine Arbeit im Fall Gaius Verres war damit beendet.
     

     
    Bevor sich der Senat wegen der Spiele des Pompeius in eine fünfzehn tägige Sitzungspause verabschiedete, trat er an jenem Nachmittag zu einer letzten Sitzung zusammen. Da er noch einige Dinge mit den Siziliern zu klären hatte, eilten wir im Laufschritt vom Tempel des Castor über das Forum zum Senat, kamen aber dennoch zu spät. Crassus als der in diesem Monat präsidierende Konsul hatte das Haus schon zur Ordnung gerufen und verlas gerade Lucullus ' neuesten Kriegsbericht über die Fortschritte im Osten. Um nicht zu stören, blieb Cicero an der Schranke stehen, und von dort verfolgten wir Lucullus ' Bericht. Der aristokratische General hatte nach eigener Aussage eine Serie triumphaler Siege errungen: Er war ins Königreich des Tigranes einmarschiert, hatte den König im Kampf bezwungen und Zehntausende seiner Soldaten hingeschlachtet, war daraufhin tiefer ins Land des Feindes vorgestoßen, hatte die Stadt Nisibis erobert und den König des Bruders als Geisel genommen.
    »Wundert mich, dass es Crassus nicht übel wird dabei«, flüsterte Cicero mir fröhlich zu. »Sein einziger Trost dürfte sein, dass Pompeius noch mehr von Neid zerfressen wird.« Tatsächlich starrte Pompeius, der mit verschränkten Armen neben Crassus saß, düster und geistesabwesend vor sich hin.
    Als Crassus fertig war, nutzte Cicero die plötzliche Stille und betrat den Saal. Alle Augen wandten sich zu ihm um. Es war ein heißer Tag, und die Lichtstreifen, die durch die schmalen Fenster unter dem Dach ins Innere fielen, verwandelten die winzigen Mücken in wirbelnde, glitzernde Punkte. Mit entschlossenem Schritt und erhobenem Kopf ging er an seinem alten, unauffälligen Platz neben der Tür vorbei und weiter durch den Mittelgang und blieb vor dem Podium der Konsuln stehen. Die Bank der Prätoren war voll besetzt, doch Cicero wartete geduldig auf seinen ihm nun rechtmäßig zustehenden Platz. Er wusste, und alle Mitglieder des Hauses wussten es auch, dass ihm als siegreichem Ankläger nach alter Überlieferung der Rang des von ihm besiegten Mannes zufiel. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie lange die Stille andauerte, aber sie kam mir ewig vor, und ich weiß noch, dass ich das Gurren der Tauben unter dem Dach hörte. Es war Afranius, der sich schließlich erhob und Cicero mit dem Finger bedeutete, sich neben ihn zu setzen. Grob stieß Afranius seinen Nebenmann zur Seite und schaffte auf der Holzbank Platz. Cicero stieg über ein halbes Dutzend ausgestreckter Beinpaare und quetschte sich dreist in die schmale Lücke. Er schaute nach links und nach rechts, sah jedem seiner Rivalen in die Augen und hielt jedem ihrer Blicke stand. Keiner sagte ein Wort. Schließlich stand jemand auf und sprach Lucullus und den siegreichen Legionen mit mürrischer Stimme seinen Dank aus. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, könnte das Pompeius gewesen sein. Allmählich machte sich im Saal wieder das übliche Gemurmel breit.
    Ich schließe die Augen, sehe die Gesichter im goldenen Licht der Spätnachmittagssonne vor mir - Cicero, Crassus, Pompeius, Hortensius, Catulus, Catilina, die Metellus-Brüder - und kann es kaum glauben, dass sie alle, ihre ehrgeizigen Ziele und selbst das Gebäude, in dem sie damals saßen, heute nur noch Staub sind.

TEIL ZWEI
     
    PRÄTOR
     
    68 v.Chr.-64 v.Chr.
     
    NAM ELOQUENTIAM QUAE ADMIRATIONEM NON HABET NULLAM IUDICO.
     
    »Redekunst, die nicht aufrüttelt, ist für mich keine Redekunst.«
     
    Cicero in einem Brief an Brutus, 48 v. Chr.
     

KAPITEL X
     
    Ich schlage vor, dass ich meinen Bericht zwei Jahre nach den Ereignissen am Ende der letzten Schriftrolle wieder aufnehme. Ich fürchte, dass diese Auslassung viel über die Natur des Menschen aussagt. Würde man mich nämlich fragen: »Warum, Tiro, überspringst du eine solch lange Periode in Ciceros Leben?«, dann käme ich nicht umhin zu antworten: »Weil das glückliche Jahre waren, mein Freund, und was ist langweiliger, als von glücklichen Zeiten zu erzählen?«
    Sein Jahr als Ädil war für den Senator eine äußerst erfolgreiche Zeit. Seine Hauptverantwortung bestand darin, die Stadt mit billigem Getreide zu versorgen, und hierbei konnte Cicero die reiche Ernte seiner Anklage gegen Verres einfahren. Die Bauern

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