Imperium
und Getreidehändler Siziliens zeigten ihre Dankbarkeit für seinen Rechtsbeistand nicht nur, indem sie ihm mit günstigen Preisen entgegenkamen: Einmal überließen sie ihm eine gesamte Schiffsladung sogar ohne Bezahlung. Cicero war schlau genug, an der öffentlichen Anerkennung dafür auch andere teilhaben zu lassen. Vom Hauptquartier der Ädile, dem Tempel der Ceres, ließ er die großzügige Spende zur Weiterverteilung an diejenigen liefern, die eigentlich für das reibungslose Funktionieren der Stadt sorgten: die etwa hundert Vorsteher der Stadtbezirke. Aus Dankbarkeit wurden viele von ihnen zu seinen Klienten. Mit ihrer Hilfe baute sich Cicero in den folgenden Monaten eine Wahlkampfmaschine auf, die ihresgleichen suchte (Quintus pflegte zu tönen, dass er jederzeit binnen einer Stunde eine zweihundertköpfige Menschenmenge auf die Straße brächte). Fortan geschah kaum noch etwas in der Stadt, über das die Cicero-Brüder nicht Bescheid wussten. Wenn zum Beispiel ein Bauunternehmer oder ein Ladenbesitzer eine bestimmte Genehmigung oder einen Wasseranschluss benötigte oder besorgt war über den baulichen Zustand eines Tempels in der Nachbarschaft, dann erfuhren die beiden Brüder früher oder später davon. Neben seinem außergewöhnlichen Redetalent war es diese unermüdliche Konzentration auf die eintönige Kleinarbeit, die Cicero zu einem derart eindrucksvollen Politiker machte. Er veranstaltete sogar gute Spiele - oder vielmehr Quintus veranstaltete sie in seinem Namen. Als auf dem Höhepunkt des Festes der Ceres traditionsgemäß Füchse mit brennenden Fackeln auf dem Rücken in den Circus Maximus getrieben wurden, erhoben sich alle zweihunderttausend Zuschauer von ihren Sitzen, um Cicero in seiner offiziellen Loge zuzujubeln.
»Dass so viele Menschen so viel Vergnügen an einem derart abstoßenden Schauspiel haben können«, sagte Cicero zu mir, als wir an jenem Abend nach Hause zurückkehrten, »lässt einen fast an den grundlegenden Voraussetzungen der Demokratie zweifeln.« Trotzdem war er hocherfreut, dass ihn die Massen nun nicht mehr nur als »Gelehrten« und »Griechen«, sondern auch als Mann aus ihrer Mitte betrachteten.
Die Geschäfte seiner Anwaltspraxis entwickelten sich ebenso gut. Nach einem ereignislosen Jahr als Konsul verbrachte Hortensius zunehmend mehr Zeit in der Bucht von Neapel, wo er mit seinen juwelenbehängten Fischen und weinbesprengten Bäumen kommunizierte und die Hoheit über die Gerichtssäle Roms vollkommen Cicero überließ. Dieser wurde dermaßen von Geschenken und Vermächtnissen dankbarer Klienten überhäuft, dass er seinem Bruder sogar die obligatorische Million Sesterzen für den Einzug in den Senat vorstrecken konnte. Quintus hatte, obwohl er nur ein mäßiger Redner war, schließlich doch noch seine Begeisterung für eine politische Karriere entdeckt. Cicero selbst war allerdings der Meinung, dass das Soldatische dem Wesen seines Bruders mehr entsprach. Trotz wachsenden Wohlstands und Ansehens lehnte Cicero es ab, aus dem väterlichen Haus auszuziehen. Er fürchtete, es könnte seinem Ansehen als Fürsprecher des Volkes schaden, wenn er sich auf dem protzigen Palatin niederließe. Stattdessen nahm er ohne Rücksprache mit Terentia in Erwartung zukünftiger Einnahmen einen hohen Kredit auf und kaufte in den Albaner Bergen in der Nähe vonTusculum - dreizehn Meilen entfernt von den neugierigen Augen seiner städtischen Wähler - eine prachtvolle Villa. Als er Terentia den Landsitz zeigte, spielte sie die Verärgerte und behauptete, das Klima in den Bergen sei schlecht für ihr Rheuma. Aber ich sah ihr an, dass sie sich insgeheim freute über diesen noblen Zufluchtsort nur eine halbe Tagesreise von Rom entfernt. Das Nachbaranwesen gehörte Catulus, und auch Hortensius besaß ganz in der Nähe ein Haus. Und obwohl Cicero lange Sommertage lesend und schreibend in den kühlen Lichtungen der Pappelhaine seines Landsitzes verbrachte, saß die Feindschaft zwischen ihm und den Aristokraten doch so tief, dass sie ihn nicht ein einziges Mal zu sich zum Essen einluden. Cicero störte das nicht. Im Gegenteil, es belustigte ihn, denn das Haus hatte einst Sulla gehört, dem größten Helden der Aristokraten, und er wusste, wie sehr sie die Tatsache reizen musste, dass es sich jetzt im Besitz eines homo novus aus Arpinum befand. An der Villa waren über zehn Jahre lang keine Veränderungen vorgenommen worden, und als er sie erworben hatte, war eine ganze Wand von einem Gemälde
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