Imperium
Lucius verbittert. Nach allem, was er dir vorher angetan hat.«
»Ich habe nur eine einzige Sache gebraucht, Lucius, nur eine winzige Gefälligkeit, und das war die Zusicherung, dass ich den Prozess so durchziehen kann, wie ich das will, und die Zeugen sofort aufrufen kann. Da war keine Bestechung im Spiel, keine Korruption, nichts. Aber ich musste im Voraus wissen, dass Glabrio da mitspielt. Aber als Anklagevertreter konnte ich ja wohl kaum selbst auf den Prätor zugehen. Also habe ich mir den Kopf darüber zerbrochen, wer das für mich tun könnte.«
Quintus sagte: »Da kam in ganz Rom nur ein Einziger infrage, Lucius.«
»Genau«, rief Cicero. »Ein Mann, dem Glabrio moralisch so verpflichtet ist, dass er ihm sein Ohr nicht verweigern k onnte. Und das ist der Mann, der ihm nach dem Tod seiner geschiedenen Frau seinen Sohn zurückgegeben hat - Pompeius.«
»Das war keine winzige Gefälligkeit«, sagte Lucius. »Das war ein schwerwiegender Eingriff, für den ein hoher Preis bezahlt werden muss - aber nicht von dir, sondern von den Bewohnern Siziliens.«
»Von den Bewohnern Siziliens?«, wiederholte Cicero, der langsam die Geduld verlor. »Die Bewohner Siziliens haben nie einen aufrichtigeren Freund als mich gehabt. Ohne mich hätte es gar keinen Prozess gegeben. Ohne mich kein Angebot von anderthalb Millionen. Um Himmels willen, Lucius, ohne mich wäre Gaius Verres in spätestens zwei Jahren Konsul geworden. Du kannst mir nicht ernsthaft vorwerfen, dass ich die Bewohner Siziliens im Stich gelassen hätte.«
»Dann weigere dich, die Miete zu zahlen«, sagte Lucius und packte Ciceros Hand. »Zieh morgen vor Gericht und hol das Maximum an Entschädigung raus. Zur Hölle mit Pompeius. Ganz Rom steht auf deiner Seite. Die Geschworenen werden es nicht wagen, sich gegen dich zu stellen. Wer schert sich noch um Pompeius? Er hat es selbst gesagt, in fünf Monaten gibt es keinen Konsul Pompeius mehr. Los, versprich mir, dass du kämpfst.«
Cicero umfasste Lucius ' Hand mit beiden Händen und schaute ihm tief in die Augen - die alte Doppelgriff-Masche, deren Zeuge ich in diesem Raum schon so oft geworden war. »Ich verspreche dir …«, sagte er, »ich verspreche dir, dass ich darüber nachdenken werde.«
Vielleicht hat er darüber nachgedacht. Wer bin ich, dass ich mir ein Urteil erlauben dürfte? Aber ich möchte doch bezweifeln, dass ihn die Frage länger als eine Sekunde beschäftigte. Cicero war nie daran gelegen, sich an die Spitze eines Mobs zu setzen, der diesen Staat beseitigen wollte: Und nur das hätte ihm den Hals gerettet, hätten sich Pompeius und die Aristokraten gegen ihn gewandt. »Das Problem mit Lucius ist«, sagte er und legte, nachdem sein Vetter gegangen war, die Füße auf das Schreibpult, »dass er glaubt, Politik sei ein Kampf für Gerechtigkeit. Aber Politik ist ein Beruf.«
»Denkst du, dass Verres Pompeius bestochen hat, um die Summe im Rahmen zu halten?«, fragte Quintus und sprach damit exakt den Gedanken aus, der auch mir schon durch den Kopf gegangen war.
»Durchaus möglich. Aber ich glaube eher, dass er einfach vermeiden will, in einen Bürgerkrieg zwischen Volk und Senat zu geraten. Wenn es nach mir ginge, ich würde nichts Lieber tun, als Verres ' gesamtes Vermögen einzuziehen. Von mir aus könnte der Lump für den Rest seines Lebens gallisches Gras fressen. Aber dazu wird es nicht kommen«, sagte er seufzend. »Also los, lasst uns mal überschlagen, wie weit wir mit den anderthalb Millionen Sesterzen kommen.«
Cicero, Quintus und ich verbrachten den Rest des Abends damit, eine Liste der Personen mit den höchsten Wiedergutmachungsansprüchen zusammenzustellen. Nachdem Cicero seine eigenen Kosten von knapp hunderttausend Sesterzen abgezogen hatte, kamen wir zu dem Ergebnis, dass er seinen Verpflichtungen so eben nachkommen konnte, zumindest gegenüber Sthenius und seinesgleichen sowie den Zeugen, die eigens die lange Reise nach Rom gemacht hatten. Aber was sollte man den Priestern sagen? Wie sollte man den Wert einer Tempelstatue schätzen, deren Edelsteine und wertvolle Metalle Verres ' Goldschmiede schon vor langer Zeit herausgebrochen beziehungsweise eingeschmolzen hatten? Und mit welcher Summe konnte man die Familien und Freunde von Gavius, Herennius und all den anderen Ermordeten entschädigen? Diese Fragen gaben Cicero zum ersten Mal einen Geschmack davon, wie es war, wenn man Macht besaß - eine Macht, die einem, wenn es hart auf hart ging, gewöhnlich nur die
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