Impfen Pro & Contra - Das Handbuch für die individuelle Impfentscheidung
Wohnverhältnissen mit schlechter sanitärer Ausstattung und Patienten mit chronischen Krankheiten des Immunsystems.
Infektionen bei Erwachsenen sind selten, weil bei längerer oder wiederholter Besiedlung der Rachenschleimhäute schützende Antikörper gebildet werden. Säuglinge haben durch mütterliche Antikörper und durch die Besiedlung mit Verwandten der Meningokokken, den Milchbakterien Neisseria lactamica, eine gewisse Immunität (Bennett 2005).
In Deutschland werden jährlich 400 bis 500 schwere Erkrankungen durch Meningokokken registriert – die Häufigkeit liegt bei 1:200000 Einwohnern. In Österreich und in der Schweiz werden jährlich je 50 bis 80 Fälle gemeldet (Häufigkeit weniger als 1:100000). In allen drei Ländern sind die Fallzahlen unabhängig von der Einführung der Impfung rückläufig.
Besonders viele Erkrankungen – bis zu 1:50000 Einwohner pro Jahr – gibt es in Großbritannien, Irland, Norwegen und Dänemark. In bestimmten Gegenden Afrikas, vor allem zwischen der Sahara und dem Äquator (»Meningitisgürtel«), erkrankt in der Trockenzeit einer von 1000 Einwohnern.
Es gibt zwölf Meningokokkengruppen mit jeweils unterschiedlichen Antigen-Eigenschaften. Am häufigsten sind die Meningokokken A, B und C, in manchen Ländern auch der Typ Y. Immer wieder kommt es zu unerklärlichen Veränderungen in der Häufigkeit und der Verteilung der Gruppen. Die Beurteilung von Impfmaßnahmen wird dadurch schwierig.
In Afrika werden Infektionen vor allem durch die Gruppe A verursacht, in vielen europäischen Ländern wie Spanien, Großbritannien oder Griechenland durch die Gruppe C. In Mitteleuropa herrscht die Gruppe B vor, gegen die es derzeit noch keinen Impfstoff gibt.
In Deutschland verursacht die Gruppe C etwas mehr als 20 Prozent der Erkrankungen (bei unter Fünfjährigen sogar nur 16 Prozent), das sind jährlich 80 bis 120 Fälle mit drei bis fünf tödlichen Verläufen im Kindesalter. Die Gruppe B ist für über 50 Prozent der Erkrankungen verantwortlich.
In Österreich macht die Gruppe C etwa 30 Prozent der Erkrankungen aus. 2010 gab es 25 schwere Meningokokken-C–Infektionen, darunter vier Todesfälle bei Kindern im Alter von ein bis drei Jahren ( AGES 2010).
In der Schweiz wurden 2010 58 Meningokokkenerkrankungen gemeldet. Die Gruppe C machte 26 Prozent der Fälle aus, die exotische Gruppe Y überraschenderweise 33 Prozent. Ähnlich wie in Deutschland sind in der Schweiz die Meningokokkenerkrankungen durch die Gruppen B und C seit 2001, also schon vor Einführung der Impfung, deutlich zurückgegangen (Ninet 2010). Die Gruppe Y, die vermehrt in der Schweiz aufgetaucht ist, hat auch in den USA in den letzten Jahren stark zugelegt.
Zu Erkrankungen mit der selteneren Gruppe W kommt es gelegentlich bei Pilgerreisen nach Mekka; sie führte aber auch im Jahr 2003 in Burkina Faso und angrenzenden Gebieten zu einer Epidemie, bei der mehr als 13000 Menschen erkrankten und 1500 starben. Mit Geldern der Bill-Gates-Stiftung wurde von GlaxoSmithKline ein Impfstoff speziell für die Bekämpfung dieser zentralafrikanischen Epidemie entwickelt.
Schutz von Kontaktpersonen bei Ausbrüchen
Die Inkubationszeit von Meningokokkenerkrankungen beträgt ein bis vier (selten bis zehn) Tage. Personen, die in den zehn Tagen vor Krankheitsbeginn engen Kontakt zu einem Erkrankten hatten, müssen sorgfältig beobachtet und bei Krankheitssymptomen sofort ärztlich untersucht werden.
Besteht die Möglichkeit, dass sie direkten Kontakt mit dem Speichel des Erkrankten hatten, so ist zur Verhinderung einer Infektion die vorbeugende Gabe des Antibiotikums Rifampicin empfohlen ( RKI 2010). Die gilt besonders für
alle Haushaltsmitglieder und enge Kontaktpersonen in Gemeinschaftseinrichtungen mit haushaltsähnlichem Charakter, zum Beispiel Internaten, Wohnheimen, Kasernen,
Intimpartner, enge Freunde, eventuell feste Banknachbarn in der Schule,
Kontaktpersonen in Kindereinrichtungen mit Kindern unter 6 Jahren – bei guter Gruppentrennung nur die betroffene Gruppe,
medizinisches Personal, zum Beispiel bei Mund-zu-Mund-Beatmung, Intubation und Absaugen des Patienten ohne Atemschutz und ohne geschlossene Absaugsysteme.
In der entsprechenden Veröffentlichung des deutschen Robert-Koch-Instituts heißt es außerdem:
»In Schulen und anderen Gemeinschaftseinrichtungen sollte der Kreis der engen Kontaktpersonen so genau wie möglich entsprechend den o.g. Kriterien definiert werden. Je nach Alter und
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