Impfen Pro & Contra - Das Handbuch für die individuelle Impfentscheidung
einsetzten ( HRSA 2011). Das Kriterium ist sicher zu eng, wie ein Fallbericht aus Kanada zeigt: Dort wurde durch den Nachweis des Masernimpfvirus im Hirngewebe eine Impfenzephalitis diagnostisch gesichert – die Komplikation trat über acht Monate nach der Impfung auf (Bitnun 1999).
Die Prognose der Impfenzephalitis ist ungünstig: R. E. Weibel (1998) berichtet von 48 Kindern, die innerhalb von 15Tagen nach der Masernimpfung an Enzephalitis erkrankten. Acht Patienten starben, alle übrigen behielten neurologische Spätschäden wie motorische und geistige Behinderung oder Anfallsleiden.
Von 1991 bis 1996 wurden in den USA 166 Fälle von ADEM nach Masernimpfungen gemeldet ( CDC 1998). In Deutschland waren es im gleichen Zeitraum zehn Jahre später (2001 bis 2006) nur 16 Fälle, was eine hohe Dunkelziffer vermuten lässt.
Eine britische Studie gibt die Wahrscheinlichkeit schwerwiegender Hirnerkrankungen nach der Impfung mit 1:365000 an (Ward 2007). Ein spanisches Forscherteam vermutet eine deutlich höhere Rate neurologischer Nebenwirkungen, da häufig nur milde Akutsymptome auftreten (Martinon-Torres 1999). Immerhin kommt es bei 3 Prozent der Impflinge zu Veränderungen in den Hirnströmen (Fescharek 1990).
Geht man davon aus, dass nur 5 bis 10 Prozent der tatsächlichen Fälle gemeldet werden, so dürfte das Risiko einer Impfenzephalitis irgendwo zwischen 1:35000 und 1:50000 liegen. Damit wäre im Kleinkindalter die Enzephalitis nach der Masernimpfung nicht wesentlich seltener als nach der Masernerkrankung. Mit zunehmendem Alter steigt jedoch das Risiko einer Masern-Enzephalitis (Conybeare 1956, Gritz 1999), so dass ab dem Grundschulalter die Vorteile der Impfung hinsichtlich dieser Komplikation überwiegen dürften.
Die Diskussion dieser Statistiken zeigt, auf welch unsicherem Boden Impfempfehlungen getroffen werden und wie schwierig die Entscheidung für oder gegen die Masernimpfung im Einzelfall sein kann. Es handelt sich um eine Gleichung mit vielen Unbekannten.
Eine Auswertung des US -amerikanischen Meldesystems VAERS berechnet das Risiko für Autismus auf 1,5 auf eine Million MMR -Impfungen, das für geistige Behinderung auf 1,4 und das für bleibenden Hirnschaden auf 0,7 (Geier 2003, 2004). Die Autoren halten die MMR -Impfung für unsicher und fordern die Entwicklung besser verträglicher Masernimpfstoffe ohne Lebendviren.
Autismus
Das autistische Syndrom ist eine unheilbare und tiefgreifende emotionale und geistige Entwicklungsstörung, die sich in den ersten drei Lebensjahren bemerkbar macht. Die Kinder kapseln sich ab und entwickeln zwanghafte und bizarre Verhaltensauffälligkeiten. In den letzten Jahrzehnten breitete sich der Autismus aus ungeklärten Gründen explosionsartig aus. In Kalifornien kam es zwischen 1987 und 2007 zu einem zwölffachen Anstieg der Autismusfälle. Bei einem von 152 Kindern wird dort inzwischen Autismus diagnostiziert ( DDS 2007).
Mitte der neunziger Jahre war in Großbritannien bei betroffenen Eltern der Verdacht aufgekommen, dass die MMR -Impfung und der Autismus miteinander zu tun haben könnten. Im Jahr 1998 beschrieb der Gastroenterologe John Wakefield in der Zeitschrift
Lancet
elf Kinder mit Autismus und chronischer Darmentzündung, bei denen ein Zusammenhang mit der MMR -Impfung plausibel erschien (Wakefield 1998). Das Krankheitsbild wurde von dem Autor »autistische Enterokolitis« genannt: Darmentzündung in Kombination mit Autismus (Wakefield 2000). Wakefield schrieb:
»Wir haben bei Kindern eine chronische Enterokolitis entdeckt, die mit neuropsychiatrischen Funktionsstörungen zusammenzuhängen scheint. In den meisten Fällen setzten die Symptome nach einer Masern-Mumps-Röteln-Impfung ein. Weitere Forschung ist nötig, um dieses Syndrom und seine mögliche Beziehung zu dieser Impfung zu überprüfen.«
Aus einer Analyse des US -amerikanischen Meldesystems VAERS geht ein minimal erhöhtes Autismusrisiko bei Kindern hervor, die gegen Masern, Mumps und Röteln geimpft wurden (Geier 2004). Ähnliches berichteten japanische Untersucher (Takahashi 2003). Ein gewisses Risiko lässt sich auch errechnen, wenn parallel zur Masernimpfung aluminiumhaltige Totimpfstoffe verabreicht werden (Delong 2011).
Infolge der Veröffentlichung von Wakefield ging in einigen Gegenden Europas die MMR -Impfrate dramatisch zurück. Wakefield wurde von Kollegen und den britischen Behörden massiv angegriffen. Er verlor seine Stelle am Royal Free Hospital in London und
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