Impfen Pro & Contra - Das Handbuch für die individuelle Impfentscheidung
ersten vier Tage den Krankheitsausbruch verhindern oder den Verlauf deutlich abschwächen. Liegt der Kontakt länger als vier Tage zurück, ist die vorbeugende Behandlung mit Aciclovir in Erwägung zu ziehen. Das virushemmende Medikament hat dafür allerdings keine Zulassung.
Die Windpockenimpfung
In Deutschland, Österreich und der Schweiz sind die beiden Lebendimpfstoffe Varilrix ( GSK ) und Varivax (Sanofi Pasteur MSD ) für Kinder ab dem zwölften Lebensmonat zugelassen. Sie sollen zweimal im Abstand von mindestens vier Wochen verabreicht werden.
Mit Priorix-Tetra ( GSK ) und ProQuad (Sanofi) sind auch zwei Vierfachimpfstoffe gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken ( MMRV ) auf dem Markt. Der Mindestabstand zwischen den zwei empfohlenen Impfungen ist sechs Wochen, nach den amerikanischen Richtlinien drei Monate.
Mit Zulassung der Vierfachimpfstoffe werden wahrscheinlich in Europa nach und nach die Schranken fallen, und die Windpockenimpfung wird unter Inkaufnahme der im Folgenden beschriebenen Risiken überall in den Impfkatalog aufgenommen werden.
Noch empfehlen die Behörden in der Schweiz die Windpockenimpfung erst ab dem zwölften Lebensjahr, wenn bis dahin keine Immunität erworben wurde.
Deutschland und Österreich gehören schon zu den Ländern, in denen die Impfung für alle Kinder ab dem zwölften Lebensmonat empfohlen ist. In Österreich müssen die Eltern dafür allerdings selbst zahlen. Die Impfung soll möglichst zeitgleich mit der MMR -Impfung erfolgen, was durch die Vierfachkombination MMRV vereinfacht wird. Wegen des erhöhten Fieberkrampfrisikos sollen allerdings beim ersten Impftermin der MMR - und der Windpockenimpfstoff getrennt verabreicht werden (
EB
2011a).
Laut STIKO sollen auch folgende Personen geimpft werden, falls sie noch keine Windpocken hatten (
EB
2006,
EB
2011b):
alle Kinder und Jugendlichen,
alle Beschäftigten im Gesundheitsbereich und in Kindergärten,
Frauen mit Kinderwunsch,
Patienten mit schwerer Neurodermitis,
Patienten mit Leukämie (in der Remissionsphase), vor einer immunsuppressiven Behandlung oder einer Organtransplantation,
Kontaktpersonen der genannten Patienten.
Eine vorherige Antikörpertestung ist in jedem Fall sinnvoll: Immer noch haben mehr als zwei Drittel der Personen, die sich nicht an eine Windpockenerkrankung erinnern, im Blut schützende Antikörper. Ein VZV -IgG-Wert von mehr als 100 IE /l zeigt einen wahrscheinlich ausreichenden Schutz an. Bei erwachsenen Frauen muss zum Impftermin eine Schwangerschaft ausgeschlossen sein.
Hauptanwendungsbereich des Windpockenimpfstoffs war zunächst der Schutz von immungeschwächten Patienten, vor allem von krebskranken Kindern in einer Therapiepause. Hiervon wird inzwischen Abstand genommen, da viele Kinder mit geschädigtem Immunsystem durch die Impfung erkranken können und teils sogar stationär behandelt werden müssen (Tsolia 1990). Dies trifft auch auf aidskranke Kinder zu, deren Impfung in den USA nur noch unter bestimmten Voraussetzungen empfohlen ist ( CDC 1999).
S. Katz, Vorsitzender der Impfkommission an der National Academy of Sciences, hatte schon 1985 darauf aufmerksam gemacht, dass die Pharmaindustrie die in die Impfstoffentwicklung investierten Kosten durch die Impfung krebskranker Kinder nicht hereinholen und deshalb auf eine allgemeine Impfempfehlung hinarbeiten würde (Wessel 1985). Im Jahr 1995 war es dann so weit: In den USA wurde die Windpockenimpfung für alle Kinder zwischen dem zwölften und achtzehnten Lebensmonat empfohlen. Argumentationsbasis für die Empfehlung war die Reduzierung sozialer und medizinischer Kosten, die in sogenannten Kosten-Nutzen-Analysen geschätzt wurden (Lieu 1994). Solche Analysen sind ein wichtiges Instrument in den Händen der Pharmaindustrie, um den Gesundheitsbehörden Impfungen zu »verkaufen«. Zwar errechnete eine neue Studie zwei Jahre nach Einführung der Windpockenimpfung, dass die erhoffte Kostendämpfung im Gesundheitswesen nicht eintreten würde, sondern dass lediglich die sozialen Kosten durch weniger Arbeitsausfall sinken (Strassels 1997) – aber zu diesem Zeitpunkt war die Impfkampagne nicht mehr aufzuhalten.
Auch für Deutschland wurde eine Kosten-Nutzen-Analyse erstellt, bei der die Standardimpfung gut abschnitt (Beutels 1996, Banz 2003). »Aus rein ökonomischen Gesichtspunkten« sei zwar die Impfung im Jugendalter der optimale Impfzeitpunkt, aus praktischen Erwägungen solle jedoch die Impfung schon im Säuglingsalter
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