Implantiert
zu Claus. Tränen traten ihr in die Augen. »Ich erinnere mich nicht mehr, wozu das dient«, sagte sie. »Aber es spielt keine Rolle. Bitte, Doktor Rhumkorrf, wir sind auf einer Insel, wo uns niemand erreichen kann. Wir müssen dem ein Ende machen, bitte fragen Sie – «
»Erinnern Sie sich noch, wie es in Ihrer Nervenklinik ausgesehen hat, Jian?«
Sie wich zurück, als hätte er sie geschlagen. Diese Reaktion, die Art, wie sie den Atem anhielt. Rhumkorrf wusste, dass sie ein paar Jahre in einer Klinik verbracht hatte, bevor es ihren Landsleuten gelungen war, ihr wenigstens den Anschein geistiger Gesundheit zurückzugeben. Es war die perfekte Drohung, um sie auf Linie zu halten.
»Gehen Sie wieder an die Arbeit«, sagte er. »Sie haben dieses Tier geschaffen. Überprüfen Sie Ihren Code und finden Sie heraus, womit wir noch rechnen müssen. Haben Sie mich verstanden?«
Sie wich zurück und nickte. Dann drehte sie sich um und watschelte in Richtung Leiter. Er starrte ihr die ganze Zeit über nach für den Fall, dass sie sich umdrehen und ihn mit diesem mitleiderregenden fetten Gesicht ansehen würde. Das tat sie tatsächlich — einmal. Sie sah, wie er sie beobachtete,
und huschte den Rest des Weges bis zur Leiter davon.
Claus blieb allein zurück und starrte den mächtigen Kadaver an. Krallen. Zähne. Der breite Kiefer. Das Rückgrat.
Die Käfige würden ausreichen.
Sie mussten ausreichen.
30. November: Die Abreibung
Implantation + 21 Tage
Tim schauderte, als er auf den Monitor an der Innenwand des Flugzeugs starrte, aber er konnte es nicht riskieren, seinen Flachmann aus seiner Gesäßtasche zu ziehen. Nicht, solange Rhumkorrf ihn sehen konnte. Und vielleicht war das wirklich nicht der beste Zeitpunkt, um benebelt zu sein.
Jian stand neben dem Bildschirm. Auch sie sah darauf, während sie unablässig etwas in Mandarin murmelte und immer wieder von einem Fuß auf den anderen trat. Sie wirkte nicht mehr wie eine Wissenschaftlerin — sie sah aus wie eine Irre.
Rhumkorrf saß auf einem Hocker und warf abwechselnd einen Blick auf die Infusionsnadel in seiner Hand und die Bilder auf dem Monitor. »Die Nadel hat sich also aus der Vene gelöst«, sagte er mit monotoner Stimme. Er sprach distanziert-analytisch. »Wann dürfte das Ihrer Meinung nach geschehen sein, Mister Feely?«
»Gegen dreiundzwanzig Uhr«, sagte Tim. »Ich habe die
automatischen Aufzeichnungen der Infusionspumpe überprüft. Es kam zu einem Druckabfall, der aber nicht groß genug war, um Alarm auszulösen, denn die Pumpe funktionierte weiter. Miss Milchshake hatte ein kleines Hämatom an der Einstichstelle. Ich vermute, dass der Fötus gegen fünf Minuten nach Mitternacht damit begann, die Fruchtblase zu fressen, was zu inneren Blutungen beim Muttertier führte. Kumpel, der Fötus hat die Plazenta gefressen, und übrigens auch noch einen Teil der Uteruswand. Laut dem Messgerät, das sich in ihrer Box befindet, kam es siebenunddreißig Minuten nach Mitternacht bei Miss Milchshake zum Herzstillstand. Der Fötus ist etwa sechsundfünfzig Minuten nach Mitternacht im Blut der Mutter ertrunken.
Rhumkorrfs Kopf wirbelte herum. Wieder hatte er dieses wütende Funkeln in den Augen. »Mister Feely, sind Sie sicher, was diese Zahlen angeht? Unmittelbar nach Miss Milchshakes Tod hätte der Fötus innerhalb weniger Minuten ersticken müssen, weil er keinen Sauerstoff mehr über ihr Blut bekam.«
Jetzt kam der wirklich, wirklich irre Teil. »Während … während des Todeskampfs hat der Fötus mit seinen Krallen einige Löcher in den Unterbauch der Kuh gestochen. So kam … ein wenig Luft ins Innere des Körpers, die er zu atmen versuchte, glaube ich, aber er hat auch das Blut seiner Mutter aspiriert.«
Rhumkorrf wirkte schockiert. »Dann hat der Fötus also das Muttertier überlebt?«
»Ja, etwa neunzehn Minuten lang«, sagte Tim. »Ich glaube, als sich die Nadel löste, da … da wurde Baby Milchshake hungrig und hat versucht, das Erste zu fressen, was es finden konnte.«
»Das ist nicht gut«, sagte Rhumkorrf. »Wir müssen die
Nährstoffzufuhr erhöhen und Schichten einteilen, um die Infusionsnadeln stündlich zu überwachen.«
»Doktor Rhumkorrf«, sagte Jian. »Wir sehen uns das nun schon lange genug mit an. Wir müssen die Kühe töten, heute noch. Sofort!«
»Es reicht!« Rhumkorrfs Stimme dröhnte durch das enge Labor auf dem Oberdeck. »Jian, Ihr Zustand war noch nie besonders stabil – und jetzt? Nun, ganz offensichtlich wirken
Weitere Kostenlose Bücher