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Implantiert

Implantiert

Titel: Implantiert Kostenlos Bücher Online Lesen
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wieder zu – diesmal sogar mit noch mehr Kraft. Seine Faust drang durch das Holz, blutige Striemen beschmierten das unregelmäßig geformte Loch. Er warf einen raschen Blick auf seine Faust. Die Haut über seinen Knöcheln war gerissen. Ein fünf Zentimeter langer Holzsplitter steckte zwischen seinem Zeige-und seinem Mittelfinger. Blut rann seine Hand hinab.
    Magnus zog den Splitter aus dem Fleisch und warf ihn beiseite. Dann griff er durch das Loch und riss ein dickes, menschenkopfgroßes Stück Holz aus der Tür heraus.
    Er machte einen Schritt nach vorn und sah in Jians Zimmer.
     
    Das alles war zu viel für ihren angespannten Zustand. Mit jedem Hämmern an der Tür verlor sie weiter die Fassung, bis sie zu keinem klaren Gedanken mehr fähig war. Als Magnus
ins Zimmer spähte, erkannte Jian kein menschliches Gesicht mehr – sie sah nur noch den breiten schwarzen Kopf mit bösartig grinsenden Augen und langen Zähnen, von denen der Speichel troff.
    Das Mischmasch-Gesicht aus ihren Alpträumen.
    Doktor Liu Jian Dan schrie zum letzten Mal in ihrem Leben.
    Ruhig zielte Magnus mit seiner Beretta durch das Loch und feuerte. Die Kugel durchdrang Jians Schläfe oberhalb des linken Auges. Sie zerschmetterte den Knochen, wirbelte durch ihr Gehirn und trat an ihrem Hinterkopf in einer roten und rosafarbenen Wolke wieder aus. Gelatineartige Tropfen spritzten gegen die Wand.
    Der Schuss riss sie einen Schritt nach hinten und erstickte den Schrei in ihrem Hals. Knochensplitter und Hirnmasse hingen aus ihrem zerfetzten Hinterkopf, doch es gelang Liu Jian Dan noch einmal, einen kleinen Schritt nach vorn zu machen und eine Sekunde lang ihr Gleichgewicht zu halten. Dann fiel sie mit dem Gesicht voran auf den Boden.

30. November: Im Stich gelassen
    Implantation + 21 Tage
     
    Colding setzte sich in seinem Bett auf und versuchte blinzelnd, den Schlaf aus seinem Kopf zu vertreiben. Hatte er einen Schuss gehört, oder hatte er das nur geträumt? Sein Unterbewusstsein löste instinktiv Alarm aus.

    »Jian.«
    Er schleuderte die Bettdecke beiseite und stürmte hinaus auf den Flur in Richtung Jians Zimmer.
     
    Colding sah, dass ihre Tür halb offen stand. Er versuchte, sie noch ein Stück weiter aufzudrücken, doch sie war blockiert. Es war eine Frisierkommode, erkannte er, als er sich in das Zimmer schob … und die Leiche sah.
    Er stürmte an Magnus und Andy vorbei. Jian lag auf dem Boden in einer Blutlache, die sich noch immer weiter ausdehnte. Sie hatte die linke Hand zur Faust geballt. Schwarzes Haar ragte büschelweise zwischen den Fingern hervor. In der rechten Hand hielt sie eine Beretta 96. Er brauchte ihren Puls nicht zu überprüfen – das faustgroße Loch in ihrem Hinterkopf sagte alles.
    »Sie muss sich in den Überwachungsraum geschlichen haben«, sagte Andy. »Dieser dämliche Clayton mit seinem idiotischen Code.«
    »Sie war eine kluge Frau«, sagte Magnus. »Selbst wenn wir einen richtigen Code gehabt hätten, hätte sie ihn wahrscheinlich geknackt.«
    Colding kniete neben der Leiche seiner Freundin nieder. Diese Frau hatte er beschützen sollen. Nicht nur, weil das sein Job war, sondern auch, weil Jian jemanden gebraucht hatte, der sie beschützte und der ihr half, im Leben zurechtzukommen.
    Und er hatte sie im Stich gelassen.
    Genauso wie er Clarissa im Stich gelassen hatte.
    Er hätte Jian schon vor Tagen von der Insel wegbringen sollen. Sie brauchte Hilfe, richtige Hilfe. Sie musste den Stress hinter sich lassen, der ihr selbst dann so sehr zu schaffen machte, wenn ihre Medikamente richtig dosiert
waren. Aber nein, er hatte ihre Bedürfnisse ignoriert wegen dieses beschissenen Projekts. Wegen der Hoffnung für Millionen.
    Colding sah auf zu Andy. »Was ist passiert?«
    »Ich habe sie bei einer Routineüberprüfung auf dem Bildschirm gesehen«, sagte Andy. »Sie hatte die Beretta, und sie brabbelte irgendwas in ihrem Ching-chang-chong-Kauder-welsch.«
    Magnus stieß ein ts, ts, ts aus, doch es gelang ihm nicht, den Eindruck zu erwecken, als empfinde er ein gewisses Mitgefühl. Colding hätte ihm am liebsten die Zunge herausgerissen.
    »Andy hat mich benachrichtigt. Ich bin sofort gekommen, doch die Tür war blockiert«, sagte Magnus. »Ich habe versucht, mit ihr zu reden, doch sie weigerte sich, Englisch zu sprechen. Ich habe es nicht mehr rechtzeitig ins Zimmer geschafft. « Er hob seine immer noch blutende Hand hoch, als seien seine Verletzungen ein unwiderlegbarer Beweis für seine Bemühungen, Jian zu

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