Implantiert
sich und rissen schließlich an ihren Befestigungspunkten ab, als der Rumpf ins Wasser glitt. Die massiven Boeing-Düsen kamen als Nächstes. Sie brachen durch das Eis und zogen den größten Teil der Flügel mit sich. Einige Teile blieben über die Oberfläche der Bucht verstreut zurück, doch der Schnee sammelte sich bereits auf ihnen und hüllte sie ein.
Die C-5 war so gut wie verschwunden. In vier bis fünf Stunden wäre der Ort ihrer Notlandung nichts weiter als eine Ansammlung merkwürdig geformter Schneewehen. Sara hörte ein letztes Zischen, als das übrige Stück glühenden Metalls ins Wasser sank. Dann gab es nur noch das Geräusch des Blizzards.
Nein, da war doch noch etwas zu hören – das ferne Rufen einer muhenden Kuh.
Sara erschauderte. Sie waren wieder auf der Insel, wo jemand unbedingt – unter allen Umständen – ihren Tod wollte. Keine Decken, keine Nahrung, kein Schutz vor dem Blizzard bis auf ihren schwarzen Parka. Und sie konnte nicht einmal das Ufer sehen.
Tiere haben Instinkte, die ich nicht habe … die Kühe werden das Ufer finden.
Sie war bereits erschöpft. Sie wusste nicht, wie lange sie Tim noch tragen konnte. Sie mussten aus der Bucht verschwinden
und irgendwo Schutz vor dem Wind finden, oder sie würden genauso sicher sterben, wie wenn sie es nie aus dem Flugzeug herausgeschafft hätten. Sara schob sich die menschliche Last auf ihrer Schulter zurecht, stemmte sich gegen den Wind und ging auf die fernen Rufe der Kühe zu.
30. November, 21:07 Uhr
Die Kühe drängten sich zu einer schwarz-grauen Gruppe zusammen. Kein Weiß zu sehen, dazu war es viel zu dunkel. Dicke Kiefern mit schweren Ästen schirmten sie ein wenig vor dem Wind ab. Noch immer fielen die Schneeflocken dicht an dicht – sogar im Wald. Der Schnee lag bereits so hoch, dass die aufgeblähten Bäuche der Kühe ihn berührten und zum Schmelzen brachten.
Heftig zitternd lehnte sich Sara an einen Baum. Sie versuchte, die Hände aneinander zu reiben, die die Kälte in gekrümmte, brüchige Vogelkrallen verwandelt hatte. In ihren Fingerspitzen spürte sie scharfe Stiche. Die Stiche waren in Ordnung. Denn wenn die Finger taub würden, bedeutete das, dass sie Erfrierungen hatte. Es kam ihr so vor, als bestünde ihr gesamtes Skelett aus eiskaltem Stahl.
Sie musste irgendwo Schutz finden. Tim lag zusammengekrümmt auf dem Boden. Schon sammelte sich Schnee auf seinem Körper und überall um ihn herum. Sara bezweifelte, dass er die nächste Stunde überleben würde, von der Nacht ganz zu schweigen. Sie schätzte die Temperatur auf etwa sechs Grad unter null, doch die gefühlte Kälte musste wegen des Winds noch viel stärker sein.
Die Rapleje Bay befand sich ganz in der Nähe von Sven
Ballantines Hof. Wenn sie Svens Haus finden würde, konnte sie Tim vielleicht retten. Aber in welcher Richtung lag es? Die Sichtweite betrug weniger als sechs Meter. Kein Mond. Keine Sterne. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als alleine weiterzugehen, Svens Hof zu suchen und Tim danach zu holen.
Sara fand eine mächtige Kiefer, deren Zweige unter der Last des Schnees so weit nach unten gebogen wurden, dass sie eine kleine Höhle bildeten. Mit eiskalten Händen brach sie einige trockene, tote Zweige ab, um etwas Platz zu schaffen. Viel war das nicht, aber es half, den Wind abzuhalten. Sie zog Tim ins Innere.
Sie verspürte den überwältigenden Drang, sich einfach neben ihn zu legen und nur noch zu schlafen. Erschöpfung breitete sich in ihr aus – und ein pochender Schmerz, nachdem sie sich mitten in die Stampede gestürzt hatte und von der Druckwelle der ersten Explosion erfasst worden war. Doch zu aller körperlichen Ermüdung kam noch der seelische Schmerz darüber, dass sie ihre Freunde verloren hatte. Waren sie schnell gestorben in der Explosion? Oder waren sie bei lebendigem Leib verbrannt?
Sie selbst hatte keine Brandverletzungen, was die einzige gute Nachricht war. Ihre Glieder schmerzten, Wunden pochten, sie wollte sich nur noch fallenlassen.
Sie sah zu Tim Feely, der zwischen Kiefernadeln, abgebrochenen Ästen und toten Zweigen auf dem Rücken lag. Wenn sie keinen Unterschlupf für ihn fand, würde er sterben. Sie fing an zu weinen … sie wollte nicht wieder ins Freie gehen. Nie wieder. Sie konnte es nicht mehr ertragen.
Aber sie musste.
Mit gefrorenen Händen wischte sie die Tränen ab. Sara atmete tief durch ihre Nase ein und aus und nahm all ihre
Entschlossenheit zusammen. Sie zog die Ärmel ihres Parkas über ihre
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