Implantiert
Sitz. Sofort.«
Während Rhumkorrf zu den Sitzen stolperte, neigte sich das Flugzeug zur Seite und schwankte heftig hin und her. Ausrüstungsgegenstände flogen in alle Richtungen. Sara sah genau in dem Augenblick auf ihre Armbanduhr, als die digitale Anzeige auf 21:10 Uhr sprang. Noch zwei Minuten zu leben. Es würde nur noch Sekunden dauern, bis sie landeten. Sie zog die Schnüre der Matchbeutel straff und trug sie zu den Sitzen.
Das Flugzeug neigte sich gleichzeitig nach backbord und sackte heftig nach unten. Sara fühlte sich für einen kurzen Moment schwerelos. Der Boden verschwand unter ihren Füßen. Dann kam er plötzlich wieder hoch und krachte ihr ins Gesicht. Ihr wurde schwindlig vor Schmerz, sie fühlte sich wie betrunken. Sie konnte nicht mehr klar sehen. Sie blinzelte ein paarmal, versuchte aufzustehen.
Jemand rief ihren Namen. Rhumkorrf. Sara schüttelte den Kopf, langsam gelang es ihr wieder, Ordnung in ihre Gedanken zu bringen.
»Dreißig Sekunden bis zur Landung.« Das hörte sich an wie Alonzo … aber er war … im Cockpit.
»Sara, stehen Sie auf!«, schrie Rhumkorrf. »Nein, nicht bewegen, ich komme.«
»Bleiben Sie sitzen!« Mit einem Schlag war ihr Verstand wieder klar. Wenn das Flugzeug noch einmal so absackte, würde auch Rhumkorrf sich irgendwo den Kopf stoßen und das Bewusstsein verlieren.
»Zwanzig Sekunden.« Alonzos Stimme aus den Lautsprechern.
Er musste die Gegensprechanlage repariert haben. Sara hatte kostbare Zeit verloren. Wieder senkte und hob sich das Flugzeug unter ihr. Sie ignorierte die Matchbeutel und kroch los, musste kriechen, denn sie konnte sich unmöglich auf den Beinen halten. Sie zog sich hoch in einen Sitz, der sich wie ein wildes Tier hin und her zu werfen schien.
»Zehn Sekunden«, rief Alonzo. Sein Tonfall war erschreckend unbeteiligt.
Sie schloss den ersten Gurt, in ihrem Kopf kreischte und hämmerte es. Ihre Hände gehorchten ihr nur langsam.
»Fünf … »
… du wirst das nicht überleben, wenn das Flugzeug aufschlägt, du wirst hin und her geschleudert werden und sterben …
»Vier … »
Bleib ruhig. Greif dir den Gurt, lass den Verschluss einrasten …
»Drei … »
… wir werden durch das Eis brechen und im eiskalten Wasser ertrinken …
»Zwei … »
Ihre Hände fanden den letzten Verschluss, der mit einem Klicken die Enden des letzten Gurtes verband.
»Eins … »
… das ist es, oh warum hast du mich nicht gerettet Colding, warum, warum, wa –
Der freie Fall endete mit einem Aufprall, der jedes Atom ihres Körpers durchschüttelte. Sie waren ein klein wenig zu steil hereingekommen, und sie ging bereits im Geist den Schaden durch. Die Nase des Flugzeugs würde sich nicht hochklappen lassen, was bedeutete, dass sie die vordere
Rampe nicht benutzen konnten. Waren die Tanks aufgerissen worden? Würden sie Feuer fangen und das ganze Flugzeug in Brand setzen? Würde die C-5 seitlich wegkippen?
Das heftige Rütteln der Maschine drückte sie gegen die Gurte. Fünf endlose Sekunden verstrichen, erfüllt von kreischendem Metall, das über das unnachgiebige Eis schrammte.
Als die C-5 langsamer wurde, warf sie der Schwung heftiger gegen die Gurte als je zuvor. Zehn Sekunden später war die Schlidderpartie zu Ende, und ihr Körper sackte zurück in den Sitz. Sie riss die Verschlüsse auf und sah auf die Uhr. 21:10 Uhr. Es hatte sich wie eine qualvolle Ewigkeit angefühlt, doch die Notlandung hatte weniger als eine Minute gedauert.
Sie rannte in Richtung Heck. Der Lärm der schreienden Kühe und ihrer um sich tretenden Hufe klang ihr in den Ohren. Sie schlug auf den Knopf, um die Heckluke zu öffnen. Die hydraulischen Getriebe heulten auf, als die großen Türen sich öffneten und die metallene Laderampe sich langsam herausschob und absenkte. Wie Schwaden eines Gases tanzte der Schnee auf dem Wind in das Innere des Flugzeugs. Das Aufheulen der Bö hörte sich fast genüsslich an, als warte sie nur darauf, sich erneut auf die Menschen in dem gewaltigen Flugzeug stürzen zu können.
Sara drehte sich von dem hereinbrechenden Blizzard ab und griff nach dem Hörer der Gegensprechanlage.
»’Zo, alles in Ordnung bei dir?«
»Mir geht’s gut. Heilige Scheiße, wir leben noch!«
»Hilf Miller, Cappy runterzuschaffen, los, los, los!«
Sara sprintete durch den Gang zurück zu den Sitzen. Rhumkorrf war bereits aufgestanden und hatte sich auf wackligen Beinen in Bewegung gesetzt. Er stützte sich am
Labortisch ab, stolperte auf die Heckrampe zu.
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