Implantiert
Bericht änderte alles. So grässlich er auch war, er lieferte ihm den so verzweifelt gesuchten Punkt, an dem er den Hebel ansetzen konnte. Wenn die Spur mit der C-5 zu einem Erfolg führte, konnte er das mit dem Bericht kombinieren und beantragen, dass Genadas Konten weltweit eingefroren wurden. Doch so etwas brauchte Zeit. Und weil Genada in einer wichtigen amerikanischen Sicherheitsbehörde einen Maulwurf platziert hatte, würde Danté ihnen vielleicht immer noch einen Schritt voraus sein.
Es sei denn, Paul würde dafür sorgen, dass der Maulwurf überhaupt nichts davon mitbekam.
Er sah auf den russischen Bericht. Nicht auf den Inhalt, sondern auf den Umschlag selbst. Papier. Ein Bote. So musste er es machen. Keine E-Mails, keine Datenbanken, keine Anrufe – nichts Elektronisches.
Das Telefon klingelte.
»Hier Colonel Fischer.«
»Was haben Sie für mich, Paul?«, fragte Longworth. »Haben Sie sie gefunden?«
»Ich habe eine interessante Spur. Wenn Sie einverstanden sind, würde ich gerne etwas anderes ausprobieren. Wir müssen
sie überraschen und ein solches Tempo entwickeln, dass wir das für unseren Angriff ausnutzen können.«
»So etwas höre ich gerne«, sagte Longworth. »Was stellen Sie sich vor?«
»Das möchte ich im Augenblick lieber nicht sagen, Sir. Ich werde einen Kurier mit einem Memo zu Ihnen schicken.«
»Einen Kurier? Schicken Sie mir doch einfach eine E-Mail.«
»Nein«, sagte Paul. »Das kann ich nicht.«
Longworth schwieg einen Augenblick lang. »Verstehe. Gut, Colonel. Und wenn Sie schon dabei sind, dann schicken Sie Memos an jeden, dessen Hilfe Sie benötigen. Ich werde dafür sorgen, dass Ihnen so viele Kuriere wie nötig zur Verfügung gestellt werden.«
»Danke, Sir.«
Paul legte auf und begann zu rechnen. Um diese Angelegenheit ordentlich über die Bühne zu bringen, würden sie drei, vielleicht vier Tage brauchen. Wenn alles gutging, würde er schon bald wieder eine Einrichtung Genadas besuchen.
Und diesmal würde er viel mehr vorfinden als ein leeres Gebäude.
17. November: Ein Spaziergang am Strand
Implantation + 8 Tage
Colding und Sara liefen die Rapleje Bay entlang. Schnee, Sand und Steine knirschten unter ihren Füßen. Die beiden Landzungen rechts und links bildeten ein wassergefülltes U
von knapp eineinhalb Kilometern Länge, das sich in nordöstlicher Richtung zu den scheinbar endlosen Weiten des Lake Superior hin öffnete. Sterne funkelten wie Diamantsplitter auf einer Lage schwarzem Samt.
Er musste etwas Zeit für sich haben, auch wenn es nur eine Stunde wäre. Jian hatte sich von ihrem Panikanfall erholt. Nicht vollständig, doch bis zu einem gewissen Grad; sie war noch immer nervös, und ihre Blicke huschten ständig in alle Ecken. Sie hatte wieder Halluzinationen, obwohl sie es leugnete. Colding hatte Rhumkorrf gebeten, die Dosis ihrer Medikamente noch ein wenig zu erhöhen.
Die Rapleje Bay war sechzehn Kilometer vom Landhaus, vom Hangar und vom Labor entfernt. Sara hatte Claytons abgedrehten Bv 206, den Nuge, ausgeliehen, damit sie etwas Abstand zwischen sich und den anderen schaffen konnten. Es war alles ein wenig viel gewesen: der Fötus, der die Kamera durchgebissen hatte, Jian, die völlig die Nerven verloren hatte, Danté, der kaum mehr ansprechbar war, und Fischer, der sie jagte. Doch das war es wert … oder nicht? Um das Leben von Millionen zu retten, um Menschen die Schmerzen zu ersparen, die seine Frau durchlitten hatte – heiligte dieser Zweck nicht die Mittel? Noch vor einer Woche hätte Colding mit Ja geantwortet. Jetzt war er nicht mehr so sicher.
Eine steife Brise blies aus Nordosten, so dass der Nylonstoff seines schwarzen Otto-Lodge-Parkas sich wellte. Ihm war eiskalt. Sara dagegen schien sich in Jeans, Pullover und Windjacke vollkommen wohlzufühlen.
»Du musst ein halber Pinguin sein«, sagte Colding. »Ich weiß, dass du in dieser Gegend geboren wurdest, aber es ist eiskalt.«
»Genau genommen bildet sich Eis erst bei null Grad. Wir
haben aber mindestens sieben Grad. Das ist wie im Frühling. Wirklich.«
Colding lächelte und schüttelte den Kopf. Er fragte sich, wie sie mit einem glutheißen Sommertag in Atlanta zurechtkommen würde.
»Außerdem«, sagte Sara, »solltest du diese Hitzewelle lieber genießen, so gut du kannst. Jede Wette, dass auf einer Insel wie dieser hier die Temperaturen von Dezember bis Februar unter null liegen.«
Colding schauderte bei dem Gedanken. »Das ist ja schrecklich. Davon hatte ich schon
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