Implantiert
Mädchen. Du wirst hart fallen, und du weißt es.
Sie konnte nicht anders. Es genügte schon daran zu denken, dass er sich nur deshalb nicht bei ihr gemeldet hatte, weil er noch immer um seine tote Frau trauerte. Es war so herzzerreißend und auf so tragische Weise romantisch, dass sie es kaum aushalten konnte.
Sara stieg hinab auf das Unterdeck, wo Jian, Rhumkorrf und Tim sich mit den Kühen beschäftigten.
»Guten Morgen«, sagte Jian und begrüßte sie mit einem Lächeln. Sie stand in Box fünfundzwanzig und arbeitete – womit wohl? – mit Kuh fünfundzwanzig. Ihr seidiges schwarzes Haar wirkte zerzaust und nicht überall gleich dicht. Colding hatte ihr von der Sache mit dem Fötus erzählt und davon, wie Jian sich die Haare ausgerissen hatte … von ihrem Zusammenbruch.
»Guten Morgen, Jian. Wie geht es Ihnen?«
Jian winkte ab. Mir geht es gut, hieß das. Dann widmete sie sich wieder ihrer Arbeit.
Sara folgte dem Gang und rieb schließlich die Nase einer Kuh, auf deren Ohrmarke A-34 stand. Die Kuh war groß. Verdammt, sie alle waren groß. Sara war knapp eins achtundsiebzig groß, und wenn die Kühe den Kopf hoben, konnten sie ihr direkt in die Augen sehen. Von einem schwarzen Fleck um das rechte Auge abgesehen war der Kopf von
Nummer vierunddreißig vollkommen weiß. Das Tier erinnerte Sara an den Hund »Petey« aus den alten Kleine-Strolche -Filmen. Sie rieb über den großen, knochigen Teil der Kuhnase. Das Tier schloss genüsslich die Augen und drückte sich gegen ihre Hand. Die Halsmuskeln der Kuh waren so kräftig und ihr Kopf so groß, dass Sara einen Schritt nach hinten taumelte.
»Hey, immer mit der Ruhe, altes Mädchen«, sagte Sara lachend. »Nur nicht zu gierig werden.«
Tim blickte von dem Tier auf, mit dem er sich gerade beschäftigte. »Verdammt, wenn Sie nichts dagegen haben – wir versuchen hier zu arbeiten.«
Für Sara fühlte sich das an wie ein Schlag ins Gesicht. Sie hatte die anderen nur kurz begrüßen wollen. Bevor sie reagieren konnte, schlurfte Jian aus Box fünfundzwanzig und bedachte Tim mit wütenden Blicken.
»Sara kann gehen, wohin sie will«, sagte Jian in kühlem Ton. »Sie halten den Mund, oder ich werde dafür sorgen, dass er zubleibt.«
Tim blinzelte langsam. Wenn Sara es nicht besser gewusst hätte, hätte sie geschworen, dass Feely betrunken war.
»Na, na, na«, tadelte Tim. »Wer hat denn hier von Kraft geträumt?«
Jians Augen verengten sich. »Was soll das heißen?« »Das heißt: plemplem«, sagte Tim. »Ich werde es Ihnen übersetzen. Sie sind völlig durchgeknallt.«
»Feely!«, blaffte Rhumkorrf. »Das reicht jetzt.«
»Verschwinden Sie«, sagte Tim. »Ich habe genug von Ihren Nazi-Kommentaren.«
Rhumkorrf hielt inne. Er öffnete den Mund, schloss ihn und öffnete ihn wieder. »Drohen Sie mir körperliche Gewalt an?«
Tim schüttelte den Kopf. »Nein. Ich habe gesagt, ich habe genug von ihren Nazi-Kommentaren. Das ist eine Bemerkung im Rahmen persönlicher Vorlieben und Abneigungen. Gleichzeitig aber will ich Ihnen meinen Fuß so weit in den Arsch schieben, dass Sie meine Zehen riechen können. Das ist zweifellos eine Androhung von körperlicher Gewalt.«
Rhumkorrf blinzelte. Tim starrte ihn an. Jian und Sara sahen zwischen beiden hin und her. Sara musste etwas tun, um die Anspannung aufzulösen.
»Jian, geben Sie mir ein Stück Papier«, sagte Sara. Jian zögerte einen Augenblick, dann tat sie wie geheißen. Sara nahm einen schwarzen Filzstift und schrieb etwas auf das Papier.
Jian las es, hielt sich die Hand vor den Mund und versuchte, ein Kichern zu unterdrücken. Sie griff nach einer Rolle durchsichtigen Klebebands, riss einen kleinen Streifen ab und klebte das Papier an die Box. Jetzt stand da in sauberen schwarzen Blockbuchstaben MOLLY McBUTTER.
»Sie brauchen Namen«, sagte Sara. »Was ist 34 schon für eine Bezeichnung? Von nun an heißt diese Kuh Molly McButter.«
Rhumkorrf wollte protestieren, doch Jian griff nach dem Stift und nach einem weiteren Blatt Papier. Mit fast kindlicher Freude schrieb sie einen Namen nieder und klebte das Blatt an Box Nummer dreiundvierzig. Darin stand eine Kuh mit vollkommen weißem Kopf – die einzige in der Herde. Jetzt hieß sie anscheinend BETTY.
Rhumkorrf seufzte. Dann zuckte er mit den Schultern. »Okay, ich nehme an, das ist harmlos.«
»Es ist schwachsinnig«, sagte Tim. »Und sonst nichts.«
Sara warf ihm einen fast flehentlichen Blick zu. Er starrte sie an, doch schließlich verdrehte er die
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