In alle Ewigkeit
Straßencafes und Menschen vorbeifahren. Alle waren draußen auf den Straßen, die vor Hitze glühten: Kinder, Jugendliche, das Mittelalter, die Alten, Gigolos, Touristen, Geschiedene, frisch Verheiratete, Familien mit Kindern, Huren, Freier, Besoffene, Polizisten, Rauschgiftsüchtige, Erlöser, Wahnsinnige, auf dem Weg aus dem Nichts ins Nichts.
Der Park war die Lunge der Stadt, und Menschen tummelten sich auf den Fahrradwegen und Rasenflächen.
Bergenhem stellte das Auto in einer der kleinen Straßen ab. Sie betraten den Park von Norden.
»Ich hab hier fast jeden Tag eine Runde gedreht«, sagte Bergenhem. »Ganz diskret.« »Mhm.«
Sie standen neben dem Teich. Rechts hatte sich eine Gruppe zu einem gemütlichen Picknick niedergelassen. Einige einbeinige Flamingos draußen im Wasser betrachteten die Szene. Winter roch den Duft nach gegrilltem Fleisch vom Straßenlokal schräg hinter sich, hörte einzelne Laute eines weichen Lachens, das übers Wasser glitt. Die Schatten hatten sich jetzt gelegt, als ob die Parkbäume für die Nacht gefällt worden wären und morgen wieder auferstehen würden.
»Wir gehen ein bisschen näher.« »Ich bleib hier«, sagte Bergenhem.
Winter machte drei Schritte auf den nächsten Baum zu. Es waren zehn Meter bis zur Spalte im Steinblock, der sich wie eine schwarze Grotte öffnete. Die Pflanzen rundherum schwankten leise, ein Rascheln vor der Nachtruhe.
Winter hörte ein scharfes Motorengeräusch von nirgendwo her, und ein frisiertes Moped mit einem wild grinsenden Jugendlichen am Lenker kam über den Rasen geprescht. Er drehte sich um und sah Bergenhem den Kopf schütteln. Das Moped wendete in einem Halbkreis auf der anderen Seite des Teichs und kehrte mit demselben Getöse zurück und verschwand hundert Meter entfernt auf der Straße, und es war wieder still, still wie noch nie. Winter stand unbeweglich da. Bald würde Bergenhem sich bewegen, und sie würden ins Polizeipräsidium zurückkehren.
In der Spalte bewegte sich etwas, im Dunkel. Ein Schatten, tiefer als die anderen Schatten. Winter blieb stehen. Da war es. Jetzt. Eine Gestalt bewegte sich, immer noch ein Schatten. Bewegte sich wieder, bewegte sich hinaus, auf den Ausgang zu. Winter sah die Konturen eines Kopfes, eines Körpers. Plötzlich ein Gesicht, nur ein undeutliches blasses Oval im verräterischen Dämmerlicht. Der blasse Abdruck eines Gesichts, das er von Jeanettes Fenster aus gesehen hatte.
Mattias trat aus den Büschen auf den Rasen. Er bewegte den Kopf hin und her, wie ein Hund, der Witterung von Menschen oder anderen Tieren im Wind aufzunehmen versucht. Er trug Shorts und ein Hemd, das im Dunkeln schwarz wirkte. Er machte noch zwei Schritte vorwärts. Das Hemd wurde plötzlich weiß und flatterte in der Mitte, es war offen. Dasselbe Hemd. Ein Knopf fehlt, und der liegt oben bei Beier, dachte Winter. Das Hemd flatterte wieder, als ob der Wind plötzlich zugenommen hätte, aber da, wo Winter stand, war kein Wind.
Er verließ den Baum. Mattias zuckte zusammen und wandte ihm das Gesicht zu. Winter machte zwei Schritte. Mattias stand still, den Kopf erhoben, als ob er immer noch witterte. Winter konnte jetzt seine Augen sehen, Mattias' Augen, darin war kein Wiedererkennen, nicht mehr, und Winter näherte sich wie ein Unsichtbarer, und Mattias' Kopf begann sich wieder zu bewegen, vor und zurück. Sein rechter Arm bewegte sich, wie nach einem Rhythmus. Winter war jetzt so nah, dass er den scharfen Geruch des Jungen wahrnehmen konnte, der den Arm immer höher schwang, die Hundeleine in seiner Hand glitzerte im Licht wie Silber und Gold.
Als Winter den Bericht gefunden hatte, nach dem er gesucht hatte, hatte er ihn gelesen und nach dem Wort gesucht. Es war das letzte Gespräch, das Halders mit Mattias geführt hatte. Er hörte die Stimme hinter den Worten, als er las:
»Jeanette hat nichts gesagt, oder?«
»Warum lassen Sie sie nicht in Ruhe, Mattias?«
»Wieso in Ruhe?«
»Sie verstehen schon, was ich meine.«
»Das hab ich schon längst getan. Sie alle in Ruhe gelassen.«
Dann war Mattias verstummt, als Halders ihm das Passfoto von Angelikas Freund zeigte.
»Kennen Sie den?«, hatte Halders gefragt.
Das Gespräch war weitergegangen.
Dann hatte Mattias es gesagt:
»Es wird... nie mehr so wie früher.« Mattias wiederholte es, mit etwas anderen Worten. Ein normaler Satz erst, aber dann nicht mehr, dann nicht mehr. Und auch die Fortsetzung nicht, nach einer Weile: »Früher war es anders. Ich hab es
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