In alle Ewigkeit
hinausgegangen. Die Fahndungsplakate bedeckten alle Flächen, schwarz auf gelb, wie schwarze Wolken, die die Sonne verdrängten. Die Journalisten waren überall. Winter versuchte sich den Medienrummel wegzudenken, etwas, das ihn nicht berührte oder nichts mit ihm zu tun hatte, nichts mit seiner Welt zu tun hatte. Er wollte sich eine Welt vorstellen, die hell war und voller Sommer, Abende in Straßenlokalen, wo das Stimmengewirr anschwoll und dann mit der Dunkelheit leiser wurde. Herumplantschen im Meer, Salz in den Augenbrauen, wenn das Meerwasser auf dem Körper getrocknet war, später auf den Klippen. Alles so was.
Eine Gruppe Reporter wartete im renovierten Foyer. Blöcke und Stifte und große und kleine Kameras. Winter ging schnell an ihnen vorbei und sah dabei starr geradeaus. Es war wie im Film, nur schlimmer.
Yngvessons Band surrte wie der Lauf der Zeit. Winter blieb stehen. Es kratzte in den Lautsprechern. Yngvesson hatte sich noch ein paar angeschafft, die das Gebrüll verstärkten. Der Techniker sah müde aus, schlimmer als vorher.
»Jetzt kommt es«, sagte er.
Aus dem, was vorher atonaler Lärm gewesen war, konnte Winter jetzt die Worte unterscheiden:
»ICH XKXKBL FRÜHER XBLBSDD HABE SAGXCXBL FRÜHER! FRÜHER! IIEEH!«
Yngvesson hielt das Band an.
»Ist das alles?«, fragte Winter. Er spürte etwas im Hinterkopf. Nicht die Nackenhaare. Etwas da drinnen.
»Alles? Ich finde, das ist eine ganze Menge.«
»So hab ich das nicht gemeint«, sagte Winter. »Ich wollte nur wissen, ob noch was kommt.«
»Nein.«
»Lass es noch mal laufen.«
Winter lauschte. »FRÜHER FRÜHER! IIIEEH!«
»Früher«, sagte Yngvesson. »Er hat ihr früher schon mal was gesagt.«
»Oder zu jemand anderem.«
»Oder früher etwas getan.«
»Klingt nach einem älteren Mann«, sagte Yngvesson.
Winter hatte es schon früher gehört. Früher. Jesus, er hatte es früher gehört. Nein, es früher GELESEN. Es hatte in der Mordbibel gestanden.
Er ging in sein Zimmer und wählte Möllerströms Nummer. Der Registrator hatte alles auf der Festplatte. Er musste nur das Wort eingeben und auf >Suchen< drücken. Möllerström hatte das Präsidium schon verlassen, ausnahmsweise. Kindergeburtstag.
»Ruf ihn zu Hause an.«
Tut mir Leid für dich, Möllis.
Bergenhem war noch da. Winter erzählte ihm von den Worten des Mörders. Bergenhem sagten sie nichts.
»Was machst du gerade?«, fragte Winter.
»Setter und ich haben mit der Überprüfung von Samics Geschäften begonnen. Namen. Alte Geschäftsbekannte.«
»Adressen?«
»Massenhaft. Aber wir können ja nicht überall bei alten Bekannten nach ihm suchen, Erik. Trotzdem haben wir damit angefangen.«
»Bielke?«
»Tja... sein Name taucht auch auf. Kleine Immobiliengeschäfte. Teilhaberschaft bei einer Kneipe. Aber das ist ja nichts Neues. Und wo er gerade ist, wissen wir ja. Und wo er sonst wohnt.«
Nicht mehr lange, dachte Winter und sah Irma Bielke vor sich, gebrochen und aufrecht zugleich, auf dem Weg zum Immobilienmakler.
Sie war nicht wahnsinnig.
Er hatte angeboten, sie zu begleiten. Er könnte ihr helfen, ein Hotel zu suchen. Sie zu Verwandten, Freunden bringen. Sie hatte es abgelehnt. Sie war schon woandershin unterwegs, zu einem besseren Ort.
Bergenhem erhob sich.
»Wenn nichts weiter ist... «
Winter dachte an Halders. An Angela und Elsa und daran, dass er am Fenster eine rauchen und dabei die Lautstärke von Michael Breckers CD Time is of the Essence hochdrehen sollte, die er gerade in den Panasonic auf dem Fußboden eingelegt hatte.
Er dachte an die angebliche Vaterschaft Bielkes. Für ihn war das bisher nur eine Behauptung, dahinter konnten sich Absichten verbergen. Kurt Bielke hatte ihm noch nichts gestanden.
Er ging zum Fenster. Wieder lange Schatten, schwarze Speere entlang des Flusses, der auf der anderen Seite des Parks strömte. Der Park, der still vor seinem Zimmer lag. Der Park, der Park, der Park, der Park, der Park, Park...
Er legte den Zigarillo in den Aschenbecher, kehrte zum Schreibtisch zurück und wählte Mattias' Nummer. Auch diesmal meldete sich niemand. Der Junge hing vielleicht an einem Baum oder lag im Wasser oder irrte zwischen den glühenden Häusern herum.
Winter erhob sich und ging zu Möllerströms Computer und suchte. Das Telefon klingelte, aber er ging nicht ran. Während er noch suchte, erinnerte er sich plötzlich. Es war nicht nur das Wort. Es war auch die Stimme.
Bergenhem saß am Steuer. Sie mussten vorsichtig an den
Weitere Kostenlose Bücher