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In alle Ewigkeit

In alle Ewigkeit

Titel: In alle Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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brauchen. Er wusste es noch nicht, aber er hatte eine leise Ahnung, wie eine dünne Schlinge im Hinterkopf, jetzt, da er hier stand und den Journalisten ermittlungstechnische Einzelheiten vorenthielt.

12
    Es war lange her, seit Winter zuletzt in der Bellmansgatan gewesen war, obwohl sie gar nicht weit von seiner Wohnung entfernt war. Zwanzig Jahre? Zehn? Die Straße lag wie immer im Schatten der hohen Steinfassaden.
    Vielleicht war er tatsächlich nicht mehr hier gewesen seit diesem sonnenklaren Tag im Juni 1979, als er sich mit all jenen Frischgebackenen vor Sigrid Rudebecks Privatgymnasium gedrängelt hatte. Das Abitur. Er hatte keine weiße Mütze getragen. Alle anderen in der Klasse hatten eine gehabt, nur er nicht, und noch einer nicht, Mats, der fünf Jahre später an einer Lungenentzündung gestorben war, oder eigentlich an Aids. Winter hatte an der Beisetzung im Winter draußen in den äußersten Schären teilgenommen. Er vermisste Mats, dachte an ihn, als er die Tür aufschob und die Halle betrat, die noch genau so aussah wie damals. Sie war heruntergekommen wie damals, die Treppe war wie damals, der Hof dahinter und die übereinander geklebten Zettel an den Wänden.
    Was es jetzt in der Ferienzeit nicht gab, das war das Gerenne auf der Treppe, die kleine Ansammlung Jugendlicher vor dem schwarzen Brett, die Stimmen, die sich mit dem Getrappel zu den Klassen im oberen Stockwerk mischten.
    Der Empfangsraum des Direktors war immer noch links unten. Das Gesicht, das sich ihm zuwandte, als er durch die offene Tür eintrat, kannte er noch, entfernt jedenfalls, die Züge waren im Lauf der Jahre ein wenig eingesunken, das Gesicht war breiter und schwerer geworden, aber es war derselbe Gustav Hjalte, der schon vor dreiundzwanzig Jahren auf dem Direktorstuhl und im Schwedischunterricht am Katheder im Klassenzimmer gesessen hatte. Er ist damals ein bisschen jünger gewesen als ich es jetzt bin, dachte Winter und sah plötzlich den jüngeren Mann hinter dem Körper des älteren. In all den Jahren hatten sie sich nicht gesehen. Keine Klassentreffen. Keine zufälligen Begegnungen in der Stadt. Ist das nicht merkwürdig? Er hatte die Schule nie wieder betreten, war aber häufig in ihrer Nähe gewesen.
    Hjalte lächelte und kam um den Schreibtisch herum.
    »Ich hab mich gefreut, von dir zu hören, Erik.« Er drückte Winters Hand. »Aber das ist vermutlich nicht der richtige Ausdruck in diesem Zusammenhang.«
    »Das ist schon in Ordnung.«
    »Manchmal weiß man ja nicht, was man sagen soll.«
    »Sonst sind Worte doch Ihre Spezialität, Herr Lehrer. Die schwedische Sprache.«
    »Tja, das fragt man sich manchmal. Nach all den Jahren auf diesem Stuhl bin ich fast nur noch mit Zahlen beschäftigt. Die Administration hat nicht viel mit Wörtern zu tun, fürchte ich. Manchmal frag ich mich wirklich, warum ich hier sitze.« Hjalte gab Winter ein Zeichen, sich auf den Stuhl zu setzen, der außerordentlich unbequem aussah. Hjalte wollte keine langen Besuche. »Weniger Wörter und mehr Zahlen.« Er sah Winter an. »Das war anders, als ich euer Klassenlehrer war.« Er lächelte wieder. »Duz mich übrigens ruhig. Jetzt.«
    Winter nickte.
    »Ich les manchmal was über dich«, sagte Hjalte. »Hoffentlich nichts Negatives.« »Im Gegenteil.«
    »Ich wünschte, über mich würde gar nichts geschrieben.« »Dass es überhaupt keine Verbrechen gibt, meinst du?« »Wäre das nicht eine wunderbare Gesellschaft?« »Dann wärst du arbeitslos, Erik.« »Das Opfer würde ich gern bringen.«
    »Aber du weißt, dass es massenhaft Arbeit für dich gibt, und das bis in die ferne Zukunft.«
    »Leider.«
    »Und das hat dich hierher geführt.« »Ja. Jeanette Bielke.«
    »Armes Mädchen. Wir haben es nicht gewusst.« Hinter Winter knarrte etwas.
    Hjalte erhob sich, zwängte sich in dem engen Zimmer an ihm vorbei und schloss die Tür, die von allein aufgegangen war.
    »Der Schuppen ist noch genauso windschief wie zu der Zeit, als du hier Schüler warst«, sagte er und setzte sich wieder.
    »Das macht wahrscheinlich den Charme von schwedischen... Privatschulen aus, genauso heruntergekommen wie die englischen public schools.«
    »So schlimm ist es hier aber doch nie gewesen«, sagte Winter.
    »Danke schön.«
    »Wie gut hast du das Mädchen gekannt?«
    Hjalte schien den Themenwechsel nicht zu bemerken.
    »Ziemlich flüchtig, fürchte ich.« Er zeigte auf die Formulare auf dem Schreibtisch. »Alles nur deswegen. Die blöde Administration.« Er nahm ein

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