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In aller Unschuld Thriller

In aller Unschuld Thriller

Titel: In aller Unschuld Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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werden würde.
    Kovac hatte das Gefühl, sich übergeben zu müssen. Auf das Schlimmste gefasst, stieß er die Tür auf.
    Lucys Bett war leer, das Bettzeug zerwühlt. Kein Blut. Das registrierte er als Erstes. Es war kein Blut zu sehen. Keine Leiche.
    »Lucy?«, rief er. »Lucy, bist du hier? Ich bin's, Detective Sam.«
    Er ging zum Schrank und öffnete die Tür. Nichts.
    Er ließ sich auf alle viere nieder, hob den Bettüberwurf an und sah unter das Bett. Der Anblick des kleinen Mädchens schnitt ihm ins Herz. Sie zitterte am ganzen Leib, und die Tränen liefen ihr übers Gesicht. Stumm starrte sie ihn an.
    »Komm, meine Kleine«, sagte Kovac sanft. »Du kannst jetzt rauskommen. Du bist in Sicherheit. Ich lass nicht zu, dass dir was geschieht.«
    Langsam kroch sie auf ihn zu, jetzt weinte sie laut, schluchzte, schniefte. Kovac streckte die Hand aus, um ihr zu helfen, und sie klammerte sich mit ihrer kleinen Hand an seine Finger, als hinge ihr Leben davon ab.
    Nachdem er sie unter dem Bett hervorgezogen hatte, warf sie sich in seine Arme, drückte ihren kleinen zitternden Körper an ihn, schlang ihre Arme um seinen Hals und fragte schluchzend: »Wo ist meine Mommy?«
    Kovac presste sie stumm an sich und dachte: Ich wollte, ich wüsste es.

39
    Carey hatte keine Ahnung, wie lange ihre Bewusstlosigkeit angedauert hatte. Schicht für Schicht tauchte sie daraus auf, nahm als Erstes wahr, dass sie atmete, bewegte einen Arm, ein Bein. Dennoch konnte sie ebenso gut tot sein. Sie lag zusammengekrümmt da, benommen, ohne Orientierung. Dann öffnete sie die Augen und sah nichts außer Dunkelheit.
    Panik erfasste sie.
    War sie blind?
    Sie hob die Hände ans Gesicht, um festzustellen, ob man ihr die Augen verbunden hatte – ungeachtet der Tatsache, dass sie wusste, es war nicht so.
    Ihr Herz raste. Ihr Atem ging viel zu schnell und zu flach. Sie hatte das Gefühl, keine Luft zu bekommen.
    Blankes Entsetzen ergriff Besitz von ihr.
    Tastend streckte sie die Arme aus und stieß gegen etwas Hartes. Sie versuchte, auch ihre Beine auszustrecken, aber dafür war nicht genug Platz.
    Sie drehte sich auf den Rücken und versuchte es noch einmal, mit demselben Ergebnis.
    Ein Sarg, sie musste in einem Sarg liegen.
    Erinnerungen an irgendwelche Horrorgeschichten schossen ihr durch den Kopf. Geschichten über Menschen, die man lebendig begraben hatte.
    Als Staatsanwältin hatte sie einmal mit einem Fall zu tun gehabt, bei dem eine vermeintlich tote Frau verscharrt worden war. Sie wies mehrere Stichwunden auf, aber bei der Autopsie stellte der Gerichtsmediziner Tod durch Ersticken fest. Die Frau hatte Dreck eingeatmet. Mund und Nase waren voll frisch umgegrabener Erde gewesen.
    Carey versuchte verzweifelt, den Deckel von ihrem Sarg zu heben. Er gab keinen Zentimeter nach.
    Sie rief um Hilfe, der Schrei hallte in ihren Ohren wider, schien aber nicht aus ihrem engen dunklen Gefängnis nach draußen zu dringen. Trotzdem schrie sie immer wieder, bis sie heiser war.
    Niemand kam.
    Tränen liefen ihr aus den Augenwinkeln in die Haare, als sie wieder still auf dem Rücken lag, überlegte, wartete. Die Zeit verlor jegliche Bedeutung.
    Hin und wieder trat sie gegen den Deckel ihres Gefängnisses. Als sie merkte, wie ihr Mund langsam trocken wurde, hörte sie auf zu schreien.
    Die Angst fühlte sich wie ein in ihrem Inneren eingesperrtes wildes Tier an, das zu fliehen versuchte.
    Sie konnte nicht atmen.
    Sie fühlte sich einer Ohnmacht nahe.
    Falls sie nicht schon tot war, würde sie es bald sein.
    Lucy.
    Sie musste an Lucy denken.
    War sie auch hier? Hatte der Entführer auch ihre Tochter gekidnappt?
    Carey fiel ein, was Kovac ihr gesagt hatte. Über Stan Dempsey. Was er auf dem Video gesagt hatte.
    Ich frage mich, was sie empfinden würde, wenn ihre Tochter vergewaltigt, gequält und wie ein geschlachtetes Lamm aufgehängt werden würde.
    Careys Augen füllten sich erneut mit Tränen. Bei der Vorstellung, dass jemand Lucy wehtun könnte, sie quälen könnte, sie wie ein wehrloses Tier aufhängen könnte, krampfte sich ihr Magen zusammen, schien ihr das Herz aus dem Leib gerissen zu werden.
    Sie hatte die Fotos von den Haas-Morden gesehen. Sie war genauso entsetzt gewesen wie alle anderen – sogar noch mehr, wenn sie daran dachte, dass sie selbst ein Kind hatte und dass die Entscheidung über das Schicksal des Mannes, dem man dieses Verbrechen zur Last legte, in ihrem Gerichtssaal gefällt wurde.
    War es das, was auf sie wartete, auf ihre Tochter? So

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