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In allertiefster Wälder Nacht

In allertiefster Wälder Nacht

Titel: In allertiefster Wälder Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy McNamara
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Tür, während Kellner sich den Weg durch die Menge bahnen und Champagner ausschenken. Mary gleitet in einen Strom von Gästen, die mit ihr feiern wollen. Das Studio ist eine Glocke, die klingt wie Partylärm. So viele verschiedene Stimmen, Reden, Lachen.
    Cal und Michael warten auf mich, und ich schaffe es nur knapp, mich nicht umzudrehen und ins Haus zurückzurennen. Ich komme mir komisch vor in meinen hochhackigen Schuhen, und es ist schwer, so viel geballter Aufmerksamkeit entegenzutreten. Cal lässt mich auf sich wirken, jeden Zentimeter von Marys Verwandlung. Ich bete darum, nicht hinzuknallen, bevor ich bei den beiden bin. Es ist seltsam, Michael gerade jetzt kennenzulernen, aber da sind sie, grinsen mich an, Brüder, die gut aussehen im Smoking. Cal fängt meinen Blick auf und zwinkert mir schnell zu, bevor er uns vorstellt. Sie sind sich so ähnlich, es gibt nur geringe Abweichungen, wie bei Menschen in Porträts von sich selbst. Die gleichen dunklen Haare und vollen Lippen, die Nase … Cals ist länger, Michaels ein bisschen runder. Aber Michael … es ist schwer, ihn nicht anzustarren. Macht mir Schuldgefühle. Es ist, als würde man Cal vor sich sehen, aber stärker, gesünder. Michael sieht mir in die Augen, und ich guck weg, mach mir Sorgen, dass er sehen kann, was ich denke.
    Hinter mir knallt ein Korken. Ich zucke zusammen, lasse beinahe meine Sektflöte fallen.
    »Schreckhaft?« Michael grinst ein wenig süffisant.
    Das ist mir peinlich. Ehe ich etwas sagen kann, lässt Cal eine ruhige Hand auf meinen Rücken gleiten und nimmt seinen Bruder ins Visier. »Ist ein großer Abend.«
    Am anderen Ende des Ateliers haben sich Leute versammelt. Einer der Kuratoren fängt an zu reden, über meinen Dad, das Stipendium. Der Lärm verwandelt sich zu Gemurmel, das in Gewisper übergeht, als die Leute sich ihre Geschichten zu Ende erzählen, und dann am Ende in Stille mündet. Ich versuche, mich auf etwas anderes zu konzentrieren als auf all das Atmen um mich herum , mir in Erinnerung zu rufen, warum wir hier sind. Marys letzter Abend mit uns. Die neuen Künstler sind angekommen und richten sich in Mercy House ein. Marys Zimmer ist schon vollgestellt mit den Sachen von jemand anderem. Ihre bunten Koffer reihen sich in meinem Zimmer an der Wand auf wie die Steine eines Brettspiels für Kinder.
    An der Seite meines Vaters, in metallgrau schimmerndem Taftkleid, der milchweiße Hals schwanengleich, sieht Mary aus wie eine Hollywoodsirene der Vierziger Jahre. Ein altes Mütterchen aus dem winzigen Friseursalon in der Stadt hat ihr weißblondes Haar zu glamourösen Löckchen gekräuselt, die sich jetzt hell um ihr Gesicht wellen. Nick Bishop, der Neue, steht neben ihr. Könnte ganz süß sein, schwer zu sagen. Er hat eins von diesen Gesichtern, bei denen das nicht einzuschätzen ist. In punkto Leuchtkraft könnte er Marys Zwilling sein. Als ob mein Dad dieses Jahr eine Sonderbestellung für fröhlich aussehende Stipendiaten aufgegeben hätte.
    Während Dad über Marys Arbeit spricht, checkt Nick sie ein bisschen ab. Hat Klasse. Er überragt Mary, lehnt sich zu ihr rüber, als würde sie ihm gehören, den Mund zum Lächeln verzogen, wie jemand auf Abenteuer.
    »Heute Abend«, sagt Dad zum Abschluss und erhebt das Glas auf Mary, »und mit besonders großer Dankbarkeit, feiern wir die erlesenen Arbeiten von Mary Virginia Roebling.«
    Der ganze Raum bricht in Lärm aus. Jubel. Gläserklingen.
    Einer der Kuratoren tritt vor. Er spricht über die Entstehung des Stipendiums und darüber, wie wertvoll es ist, Beziehungen aufzubauen zwischen schaffenden und aufstrebenden Künstlern. Er dankt meinem Dad für sein anhaltendes Engagement bei der Förderung junger Bildhauer, nennt ihn eine Bereicherung für die Gemeinschaft. Schließlich wendet er sich Nick zu. »Und in diesem Geiste bitte ich Sie, mit mir zusammen Nick Bishop zu begrüßen.«
    Eine Gruppe von Leuten in unserer Nähe johlt für ihn. Seine Freunde, kein Zweifel.
    »Mabry-Stipendiaten«, fährt der Kurator fort, »werden aus einer Gruppe konkurrierender Bewerber ausgewählt.« Er erhebt sein Glas. »Wir gratulieren Nick und wünschen ihm großen Erfolg für seinen Aufenthalt hier.«
    Applaus.
    Mein Vater erhebt die Stimme über den Lärm. »Lasst die Party beginnen!«
    »Frohes neues Jahr!«, ruft Mary, prostet meinem Vater zu und dann Nick.
    Jubelrufe. In der Menge skandieren ein paar von Marys Freunden ihren Namen. Sie lacht. Mein Vater schließt sie in die Arme

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