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In allertiefster Wälder Nacht

In allertiefster Wälder Nacht

Titel: In allertiefster Wälder Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy McNamara
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mir im Kopf, macht sich über mich lustig.
    Mit einem Kopfschütteln weist er mich ab. Blass ist er. Was auch immer er denkt, hat ihn jetzt so weit von mir weggezogen, dass er auch gleich ganz verschwunden sein könnte. Nichts, was ich sage, würde jetzt etwas ändern. Wenn ich verschwinden könnte, würde ich’s tun.
    »Spar dir das«, sagt er, schaut sich um, schaut weg von mir. Seine Stimme ist ruhiger als sein Gesicht. »Ich will’s nicht hören. Nicht heute Abend. Du hättest es mir früher erzählt, wenn du gewollt hättest. Ich muss das nicht wissen.«
    Ich wusste, dass es so sein würde.
    Fühle mich furchtbar so.
    Er steht vom Tisch auf und macht sich auf den Weg zur Tür. Ich schnappe mir meine Tasche und stolpere hinter ihm her. Mit finsterem Gesicht hält er mir die Tür auf. Er klickt das Auto auf und steigt auf seiner Seite ein, knallt die Tür zu, lässt den Motor an.
    Ich kann mich nicht überwinden, in sein Auto zu steigen.
    Er lehnt sich über die Vordersitze, stößt meine Tür auf.
    »Wren, steig ein.« Seine Stimme klingt gepresst, kalt.
    Ich kann nicht. Will nicht weinen.
    »Wo ist das Problem?«
    »Ich … mir fällt es schwer, ins Auto zu steigen« – ich bin etwas atemlos – »solange du so wütend bist.«
    Die Wut in seinem Gesicht weicht einem Ausdruck, der an Bedauern erinnert, es stürzt ab, formiert sich dann wieder neu. Eine maskiertere Wut. Resignierter.
    »Wren, bitte, steig ein«, sagt er in einem beherrschteren Ton. »Ich bin nicht wütend. Alles gut.«
    Doch er lügt, und sobald ich den Gurt angelegt hab, schießen wir vom Parkplatz und fahren zu mir nach Hause, schnell. Ich wende mich von ihm ab und rezitiere stumm alle acht Zeilen von Larkins »To put one brick upon another«. Rhythmus und Wiederholung lassen um mich herum etwas Robustes entstehen.
    »Ich bring dir den Jeep ein anderes Mal rüber«, sagt er, als wir vorfahren.
    Entlassen.
    Heiße Flecken blühen auf meinen Wangen. Scham. Oder etwas Ähnliches. Es ist dunkel. Er wird sie nicht sehen. Ich könnte das Abendessen von mir geben, das ich eben verzehrt habe.
    »Cal …« Ich versuche es noch einmal, greife nach seiner Hand. Er rückt von mir ab, klammert sich ans Lenkrad.
    »Nein, schon gut«, sagt er knapp. »Ab und zu möchtest du mit jemandem zusammen laufen. Ich versteh das.«
    So kalt.
    »Cal, du machst das zu …«
    »Ich mach nichts zu irgendwas.« Angespanntes Gesicht im Mondschein. »Ich hatte einen schönen Tag, danke, dass du mitgekommen bist.«
    Er redet wie mit einer Bekannten. Guckt mich nicht an. Sein Blick ist auf irgendwas auf der anderen Seite der Windschutzscheibe fixiert. Er lehnt sich nicht rüber, um mich zu küssen.
    Ich sitze noch eine Sekunde länger da, an der Stelle, an der unser Kuss gewesen wäre. Erschüttert. Dann stoße ich die Autotür auf, steige aus, schlag sie zu, mit einem ordentlichen Knall, wie ich hoffe. Verdammter Scheißtag.

Schlimmer geht’s nimmer
    Es ist also keine Überraschung, als ich mich umdrehe und das Auto meiner Mutter hinter dem Truck meines Dad stehen sehe. Natürlich musste sie gerade jetzt zu einem Besuch reinschauen. Heute. Heute Abend. Ohne vorherige Ankündigung.
    Die beiden Autos meiner Eltern erzählen die ganze Geschichte. Auseinanderlaufende Wege. Ihre Ansichten über das Gute und Schöne. Das Monstrum, sein Klapperkasten-Wagoneer Baujahr 1970 mit kaputten Sicherheitsgurten, wird von ihrem kompakten Luxuscoupé mit der hervorragenden Sicherheitsausrüstung eingeklemmt. Die Art Auto, die mich gerettet hat.
    Mit dem Gesicht zwischen den Händen sitze ich eine Minute auf der Treppe vor der Haustür. Warum ist sie unangekündigt hier? Will sie mir sagen, dass ich wieder mit ihr in die Stadt zurückmuss?
    Ich brauche etwas Zeit, um zu verarbeiten, was mit Cal im Auto passiert ist. Er glaubt, da läuft was zwischen Nick und mir.
    Diese blöde, blöde Stadt. Wie bin ich blöd. Warum hab ich es ihm nicht einfach erzählt? Ich hab’s nicht getan, weil ich dachte, er würde sich dann schlecht fühlen … weil Nick mit mir laufen kann und er nicht. Ich hatte Schuldgefühle, und ich hab versucht, ihn zu schützen.
    Und er hatte mich gebeten, genau das nicht zu tun.
    Michael hat’s ja gesagt. Ich mach alles kaputt. Verdammt.
    Ich lasse den Tag noch mal im Kopf vorüberziehen, angefangen mit Nick, mit unserem Lauf. Schon beim Gedanken daran könnte ich kotzen. Da hätte ich gleich Schluss machen, das Telefon abstellen und wieder ins Bett gehen sollen. Aber nein.

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