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In allertiefster Wälder Nacht

In allertiefster Wälder Nacht

Titel: In allertiefster Wälder Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy McNamara
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fährst du also …« Ich will einen Witz machen: »Und du willst nicht den Jeep nehmen, um der alten Zeiten willen? Du könntest doch auf der Straße ein paar Fahrräder zur Strecke bringen?«
    Lahm und irgendwie furchtbar, so was zu sagen. Er guckt mich an, weiß nicht, was er davon halten soll, tut es mit einem Achselzucken ab. An der Hand führt er mich zu meiner Seite vom Auto und hält mir die Tür auf.
    Ich sinke in den bequemen Sitz und flüstere ein neues Mantra, bis er einsteigt. Es wird ein guter Tag. Es soll ein guter Tag werden. Meine Stimmung wird sich heben. Ich will es glauben, trotz gegenteiliger Erfahrungen. Wie spät ist es? Ein Blick aufs Handy. Der Nachmittag ist schon halb vorüber. Ein paar Stunden kann ich mich für Cal zusammenreißen.
    Wir fahren rückwärts raus. Er fährt wie jemand, der echt glücklich ist hinterm Lenkrad, steuert uns gekonnt rückwärts die verschneite Auffahrt entlang. Ich kann die Augen nicht von ihm losreißen. Das ist ein Bonus. Seine Hände ruhen leicht auf dem Lenkrad, als wäre er in einer Anzeige für das perfekte Leben in der perfekten Welt. Mich schaudert’s. Das hatte ich schon mal. Hat nicht so ganz geklappt. Aber das hier ist anders. Ich bin gut darin, mich zu belügen.
    Er zeigt auf die Stereoanlage. »Such was aus«, sagt er. »Etwas, das du laut hören möchtest.«
    Wir fahren schnell. Raus aus den Wäldern und auf den Highway. Die Musik hämmert durch meinen Körper. Ich lehne mich ein bisschen zurück und schließe die Augen, während Sonnenstrahlen stroboskopisch über mein Gesicht zucken. Nur nicht daran denken, dass ich in einem Auto sitze. Mit Cal. Mit egal wem.
    »Ist das in Ordnung?«, fragt er, die Hand auf meinem Bein, er drosselt das Tempo ein wenig. »Mach ich dir Angst? Fahr ich zu schnell?«
    »Nein«, lüge ich. »Mir geht’s gut. Alles bestens.«
    »Sicher? Dir macht das nichts aus, wenn wir einfach eine Weile herumfahren, gemeinsam im Auto sitzen?«
    Ich nicke wieder. Er muss fahren. Er braucht das. Ich erinnere mich an das Gefühl, hinauszusausen zu Merediths Strandhaus, mich von der Stadt zu befreien.
    »Ist okay«, sage ich. »Wirklich. Fahr, so lange du willst.«
    Nicht allzu überzeugend, aber aus meinem trüben Nebel heraus kann ich es nicht besser.
    Er guckt skeptisch.
    »Im Ernst.« Ich mache meine Stimme sicherer. »Ich bin nur müde. Zieh dein Ding durch.«
    Das kommt ein bisschen sarkastisch rüber. So meine ich das gar nicht. Abgesehen davon, sollte er uns umbringen, weil er mit 160 Sachen auf einer kurvigen Straße fährt, würde das eine Menge Probleme lösen. Für uns beide. Ich schiebe meine kalte Hand unter seine. Mein Kopf ist grad ein ganz übler Ort.
    »Irgendwas stimmt nicht«, stellt er fest, lässt die Straße aus den Augen und sieht mich kurz an. »Bist du heute Morgen gelaufen?«, fragt er so, als würde er sich erkundigen, ob ich meine Medizin auch genommen habe. Ich schließe die Augen. Und wie ich gelaufen bin.
    »Ja.«
    Scham bearbeitet mich mit einem kleinen Hammer. Scheint irgendwie schlauer zu sein, Nick nicht zu erwähnen.
    »Tut mir leid«, sage ich. »Hab schlecht geschlafen heut Nacht.« Noch ein kleiner Schauder. »Ich bin froh, dass wir hier draußen sind. Dass es dir besser geht. Fahr, so schnell du willst.«
    Wieder schaut er mich an, ich hab ihn nicht überzeugt.
    »Ich kenne dich«, sagt er. »Irgendwas ist vorgefallen.«
    »Nur so eine blöde Stimmung«, sage ich und schlinge meine Finger in seine. »Ehrlich.«
    Wir fahren schnell, drosseln das Tempo für verschlafe ne Dörfer, Hafenstädtchen mit einer einzigen Ampel, voll von Leuten, die ihr Leben leben. Was machen sie alle? Auf den Pisten vor meinem Fenster sausen Schneemobile lärmend an uns vorbei. Schilder, die auf Blaubeerfelder hinweisen, auf Skihügel, auf Antikscheunen und den Verkauf von Ahornsirup, sprenkeln den Straßenrand. Unter der Sonne, träge und tief, geht es auf, ab und in die Kurven, immer in südliche Richtung. Spätes Tageslicht fällt uns ins Gesicht. Cal zieht die Sichtblende runter, setzt die Sonnenbrille auf. Meine hab ich nicht dabei. Ich schließe die Augen vor dem Licht. Nur ganz kurz.
    Cal küsst mich wach. Es ist dunkel. Wir parken vor dem einzigen italienischen Restaurant der Stadt.
    »Sorry.« Ich richte mich im Sitz auf, mein Herz rast.
    »Weshalb?« Er küsst mich wieder. »Ich konnte schnell fahren. Du konntest schlafen. Wir sind beide glücklich.«
    Ich strecke Rücken und Hals. Hoffentlich habe ich nicht

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