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In allertiefster Wälder Nacht

In allertiefster Wälder Nacht

Titel: In allertiefster Wälder Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy McNamara
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Stattdessen war ich Wren Wells, das mieseste Date der Welt, hab mit einer Lüge angefangen, dann im Auto das Bewusstsein verloren, um beim Essen tödlich langweilig zu sein – und jetzt das hier.
    Hinter mir geht die Tür auf.
    »Wren?«
    Dad. Der seine sanfte Stimme einsetzt. Er hat mich immer auf dem Schirm. Ist irgendeine unheimliche geistige Fähigkeit oder so was. Verstecken nicht gestattet. Überschlag dich ein Mal mit dem Auto und verlier deine Privatsphäre für alle Zeiten. Ich nehm die Hände nicht vom Gesicht.
    Er legt mir die Hand auf den Rücken, hockt sich neben mich. »Wir haben das Auto gehört. Was soll das, warum sitzt du hier draußen? Komm rein.« Er zieht mir die Hände vom Gesicht. »Alles in Ordnung mit dir?«
    Ich guck ihn an. Er bedauert mich, das merke ich. Aber eine Erklärung muss ich ihm nicht geben. Das ist das Gute an ihm.
    »Deine Mutter stattet uns einen Überraschungsbesuch ab.«
    Ich nehme seine Hand, stehe auf und bürste mir Schnee und Vogelfutter von den Jeans. Mir fällt ein, wie Meredith mich eines Nachts betrunken nach Haus gebracht hat. Wir hatten uns in Chelsea zu einer Vernissage reingeschmuggelt und uns zu allzu vielen Plastikgläsern mit billigem Weißwein verholfen. Eigentlich hätte ich mit meiner Mutter zu Hause sein sollen, zum Abendessen mit ein paar ihrer Kollegen. Meredith hängte sich aus dem Taxi und rief mir nach, als ich die Vortreppe raufstolperte: »Lächeln, immer lächeln, Wells! Das wird ein Spaß!«
    Spaß. Was kann denn sonst noch schiefgehen?
    »Okay.« Ich folge ihm nach drinnen.
    »Wren? Hast du einfach draußen in der Kälte gesessen?« Sorgenstimme. Meine Mutter umarmt mich. Drückt mein Gesicht in ihr perfekt gebobbtes Haar. Mit einem Mal fühle ich mich schmerzlich jung und ihre Umarmung ist gut. So könnte ich ewig bleiben. Sie riecht immer gleich, egal, wo wir sind. Mom-isch. Weich. Tröstlich.
    »Mom«, sage ich, mit einem Kloß im Hals, »du bist da.« Mehr geht nicht.
    Ich kicke die Stiefel von mir und geh ins Wohnzimmer. Ihr aus den Augen, die mich durchleuchten, versuchen rauszukriegen, was los ist. Ich lass mich aufs Sofa fallen. Dad drückt mir einen Becher Tee in die Hand und lässt sich im Sessel nieder. Befangenes Schweigen. Unser kleines Familientreffen. Jetzt brauchen wir nur noch einen elterlichen Streit – das perfekte Ende für einen perfekten Tag.
    »Das ist nur ein informeller Besuch«, sagt meine Mutter formell. »Mir wurde klar, dass ich alt werden würde, bevor ich nach diesem Wintersturm eine neue Einladung bekäme, und ich hatte ein paar Tage ohne Verpflichtungen in meinem Kalender, also hab ich es auf mich genommen, hier hochzufahren und mal zu schauen, wie es dir geht.« Sie mustert mich. »Du bist dünn«, sagt sie.
    »Sie ist gesund«, wirft Dad ein, der mir helfen will.
    »Sie läuft viel.«
    »Ja«, sagt meine Mutter mit einem Gesicht, das ihre höfliche Version eines Augenverdrehens ist. »Ich weiß, John. Ich weiß alles über das Laufen.«
    Und ab geht’s.
    »Aber du kannst nicht ewig vor Sachen weglaufen.« So redet sie. Zufällige Bemerkungen werden verdreht, um ihren Standpunkt klarzumachen. Ihren wichtigen Standpunkt.
    Ich beäuge sie. Sie versucht, in mich reinzugucken, mich niederzustarren. Sie wird gewinnen.
    Ich stehe auf. »Mom, ich hatte keinen guten Abend. Ich geh ins Bett. Bis morgen.«
    Wie verletzt sie guckt, ich hasse das, aber ich ertrag kein Wort mehr von ihr. Oder sonst wem. Nicht heute Abend. Keine Ahnung, wo sie schlafen wird, ist mir auch egal. Solange es nicht in meinem Zimmer ist. So schnell ich kann, geh ich raus. Schau mich nicht um. Sorry, Dad.
    Die Schlaftablette kann gar nicht schnell genug wirken … und wirkt dann endlich doch.

Schon fast zum Lachen
    Eine Hand auf meiner Schulter. Ich werde geschüttelt.
    »Wren«, sagt Dad, »wach auf.«
    »Was ist denn los?«, frage ich besorgt.
    »Nichts.« Er streicht mir das Haar aus den Augen. »Ich dachte, du hättest vielleicht gern etwas Zeit, um wieder aufzutauchen, ehe deine Mutter wiederkommt, um den Tag mit dir zu verbringen.«
    Meine Lider sind schwer. Geschwollen. Es ist seltsam, dass er hier drinnen ist. Sonnenlicht flutet den Raum. Mary und ich hatten Gardinen nähen wollen. Dunkle.
    Ich schwimme wieder nach oben. Meine Mutter ist hier. Sie will den Tag mit mir verbringen. Und sie ist nicht über Nacht geblieben. Gesegnet sei mein genialer und gütiger Vater. Er reicht mir ein Sweatshirt.
    »Wo ist sie hin? Hier ist sie doch

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