In allertiefster Wälder Nacht
Veränderung ist die einzige Konstante . Und er hat immer so milde getan, egal, was war. Ich fand das lächerlich. Abgehoben. Leidenschaftslos. Egal, das ist mein neuer Plan. Alles wie Sand durch die Finger laufen lassen. Moms Besuch. Sand. Der Streit mit Cal. Sand. Cal im Allgemeinen … Sand. Die Vergangenheit, die Gegenwart, die Zukunft, alles verwandelt sich, ich halte an nichts fest.
Dad ist wieder im Atelier, hält Nick auf Trab und von mir fern. Er findet sie witzig, diese ganze Sache mit Nick, der mir beim Laufen gefolgt ist, aber das auch nur, weil ich ihm nicht erzählt hab, wie es ausgegangen ist. Mit Cal. Ich will nicht drüber reden. Ist sowieso vorbei. Sand.
Nick versucht, mich anzulächeln, wenn unsere Wege sich kreuzen. Ich ignoriere ihn. Er ist ein enthusiastischer Student, meint mein Dad, als ich ihm sage, dass er Nick nicht ins Haus lassen soll. Natürlich ist er das. Mann! Nick ist genau der Typ Mensch, von dem meine Mutter hofft, dass ich ihn finde und mit ihm meine Zeit verbringe. Mr Positiv. Wenn es hier eine Szene gibt, dann hat er sie gefunden.
Bis auf meine Mutter ruft mich keiner an. Ist in Ordnung. Kam mir sowieso unwirklich vor. Cal und ich. Es war nicht wirklich. Wenn ich laufe, wiederhole ich das immer. Es war nicht wirklich . Ich wende all meine alten Tricks an. Laufen. Aufs Wasser starren. In der Bibliothek ein- und auschecken. Ich bin zu kaputt, um mit einem anderen Menschen irgendwas zustande bringen zu können. Ich lege meine Bücher weg und sage mir all diese Sachen auf wie Gedichte. Und zwar laut. Und das kann ich tun, weil ich am Ende der Welt bin, allein in den Wä ldern, allein in der leeren Bibliothek, allein, allein, allein.
Der Tag, an dem ich den Termin bei Dr. Lang habe, kommt viel zu schnell. Mom ruft ungefähr fünfzig Mal an, um sich zu vergewissern, dass ich ihn wirklich und wahrhaftig wahrnehmen werde. Dad ruft sie auch an, als Rückversicherung dafür, dass ich tatsächlich hingehe. Und jetzt will er, dass Nick mich in seinem Auto hinfährt. Das hält er für sicherer, als wenn ich den Wagoneer nehme. Kommt überhaupt nicht infrage, dass ich mit Nick Bishop zu einem Termin bei einem Seelenklempner fahr e. Ich starre ihn also eiskalt an, wie einer von seinen Poker kumpels, und sage, wenn er will, dass ich hingehe, wird e r mir schon den Truck überlassen müssen. Ist sowieso nur eine Stunde Fahrt. Was soll da schon passieren? Letzteres spreche ich natürlich nicht aus, denn das ist genau die Ar t Humor, die meine Eltern beide nicht lustig finden.
Aber ich geh dem nach, in meinem Kopf. Stell es mir vor. Ein Unfall in diesem Truck wäre grässlich, so viel ist sicher. Die schwere grün-braune Kühlerhaube würde aufspringen, Dampf würde aus dem Motor steigen wie im Film … ich würde, wer weiß, wohin, durch die Windschutzscheibe geschleudert werden oder so was. Ich weiß, dass es überhaupt nicht so sein würde. Ich weiß, dass es unglaublich laut sein würde und nach heißem, knirschendem Metall und schmelzendem Plastik riechen würde, und ich weiß, wie schnell ein Mensch aus sich rausgleiten kann. Aber das ist der Teil, der vielleicht gar nicht so schlimm ist. In den Augen von Passanten würde der Truck wahrscheinlich schön aussehen, auf diese desolate Art, auf die ein zerbeulter Wagen schön sein kann. Ich schüttele es ab. Auf keinen Fall gibt er mir die Schlüssel, wenn er so einen Gedanken auch nur an mir riechen kann, bevor ich mich auf den Weg mache.
Mal wieder ein strahlender Tag. Gibt zu viele davon hier oben. Hell und kalt wie die Hölle. Frühling ist ein Fiebertraum. Wir sind festgefroren unter einem hohen, dünnen blauen Winterhimmel. Wolkenlos. Sonne blitzt auf dem Wasser. Blendender Schnee. Es ist alles so präsent, so fordernd. Die Leuten sagen, New York sei intensiv. Ich glaub, die haben der Natur keine rechte Aufmerksamkeit geschenkt. Die vollen Straßen in New York sind wie ein Puffer. Sie geben dir einen anderen Maßstab vor. Hier oben bin ich ein Staubkorn auf der Linse der riesigen grellen Welt der Natur.
»Ich bin Mitglied beim Pannenservice«, sagt mein Dad. Schlüsselübergabe. »Und dein Telefon ist aufgeladen?« Er ist überbesorgt. Ich frag mich, ob meine Mutter seine Inbox wieder mit nervösen Spekulationen flutet.
Nick kommt aus dem Atelier. Perfekt. Ich verdrehe die Augen. Er bemerkt es.
»Entschuldigt die Störung.« Er hat was von seiner Großkotzigkeit eingebüßt. »Aber ich weiß, dass du zu einem Termin fährst«,
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