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In allertiefster Wälder Nacht

In allertiefster Wälder Nacht

Titel: In allertiefster Wälder Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy McNamara
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sagt er. »Wahrscheinlich ist dir klar, wie du hinkommst, aber ich dachte … wenn du willst, könntest du mein GPS mitnehmen, nur so als extra, du weißt schon, Dings?«
    Er guckt mich nicht mal an, als er das sagt. Es ist das erste Mal, dass wir miteinander reden, seit ich ihm im Wald den Kopf abgerissen habe. Ich hab ihn so richtig vergrault.
    Den Mund hab ich schon auf, um abzulehnen, doch mein Dad kommt mir zuvor.
    »Tolle Idee, Nick.« Er strahlt und greift nach dem Gerät. »Dann weiß sie genau, wo sie ist, wenn der Truck liegen bleibt oder sonst was. Gut mitgedacht.«
    Als ob Nick ein Genie wäre. Ich beschließe, nicht darauf hinzuweisen, dass nahezu jeder Karten auf seinem Handy hat. Mein Dad macht sich ja nicht mal die Mühe, seines aufzuladen.
    Mr Sunshine lehnt sich ins Auto und schließt sein GPS an.
    »Ist ganz einfach zu bedienen«, sagt er, reckt sich durch die Tür und startet den Motor. »Wenn es einen Satelliten gefunden hat, gibst du nur ein, wo du hinwillst, und dann redet es den ganzen Weg mit dir.«
    »Toll.« Das war’s dann wohl mit meiner stillen Fahrt.
    »Nur, wenn du willst.« Er kommt wieder aus dem Auto und zeigt auf den kleinen Monitor. »Wenn es dir lieber ist, kannst du auch einfach die Anweisungen lesen.«
    Er schaut mich flüchtig an, lehnt sich wieder ins Auto und schaltet auf stumm. Enthusiastischer Student.
    »Danke«, zwinge ich mich zu sagen. Er will ja nur helfen. Ich frag mich, was mein Dad ihm wohl über meinen »Termin« erzählt hat? Nick geht wieder zurück ins Atelier.
    »Dad.« Ich sehe meinen besorgten Vater an. »Mir passiert schon nichts.«
    »Ich weiß, ich weiß.« Er drückt meinen Arm, als ob er nicht eben noch Schweißperlen auf der Stirn gehabt hätte.
    »Ich bin schon mit diesem Ding gefahren. Ich weiß nicht, was dich so stresst.« Ich guck auf meine in Turnschuhen steckenden Füße.
    »Ich weiß, dass du nicht da hinwillst.« Er holt tief Luft und legt mir den Arm um die Schultern. »Ich weiß, dass deine Mom dich zwingt. Sei einfach vorsichtig und pass gut auf dich auf, wenn du da bist, okay?«
    Er macht sich Sorgen wegen des Termins. Jetzt verstehe ich seine Besorgnis schon besser. Ich finde sie tröstlich. Ein Verbündeter. Dad hält die Idee auch für Blödsinn. Ist ja auch nicht gerade sein Stil, jemand anders in seinem Kopf rumbasteln zu lassen. Eine Welle der Erleichterung spült über mich hinweg. Wenigstens einer, der mir traut, es kapiert. Ich brauch keine Behandlung. Ich brauch nur Zeit.
    Ich umarme ihn lange, dann klettere ich in den Truck.
    »Der Tank ist voll«, ruft er, als ich anfahre.
    Natürlich ist er das. Und die Reifen sind wahrscheinlich neu und frisch aufgepumpt. Ich mach das Fenster auf und winke, bis ich hinter der Kurve verschwunden bin.
    Die Fahrt ist zu kurz. Nur ich und der Rhythmus der schweren Reifen auf der Straße. Ganz anders als meine luxuriöse, kurvenschmiegende Tour mit Cal. Der Wagoneer rüttelt ab 90 Stundenkilometer, also fahr ich langsam, trotzdem fliegen die Kilometer nur so dahin und bringen mich dem Drüber-reden-Müssen unweigerlich näher. Näher, mir von jemandem helfen zu lassen, »meinen Weg da durch« zu finden. Ein Schloss, das ich nicht aufbrechen will. Eine Karte, der ich nicht folgen kann. Nicht jetzt. Ich erwäge, den Termin sausen zu lassen, mein Handy aus dem Fenster zu schmeißen, abzuhauen. Nach Kanada vielleicht, oder wenigstens so weit, bis mir das Benzin ausgeht. Aber meine Eltern würden sich umbringen vor Sorge und ich will ihnen nicht noch mehr Kummer machen. Kann doch nicht so schwer sein, zu leben, ohne andere Leute kaputtzumachen.
    Dr. Langs Praxis besteht aus zwei Räumen im dritten Stock eines alten Gebäudes auf dem Campus, nicht weit vom Architektur-Deparmtent der Universität. War klar. Überall kleine Erinnerungen. Ich schüttele mir Cal aus dem Kopf und nehme die Treppe nach oben. Die Praxis liegt am Ende eines breiten Korridors. Eine Tür mit seinem Namen drauf führt in ein winziges, stickiges Wartezimmer. Keine Sprechstundenhilfe, kein Fenster, keine Kunst, nichts. Wie eine Gefängniszelle. Ich unterdrücke den übermächtigen Drang zu kichern, in einen hysterischen Lachanfall auszubrechen. Hier gibt’s nur mich, zwei Stühle und eine von diesen riesenhaften Büropflanzen mit hängenden Blättern, die es irgendwie fertigbringen, unter fensterloser Fluoreszenz zu gedeihen. Ich setze mich und wippe mit dem Knie. Keine Zeitschriften. Wer legt denn keine Zeitschriften in ein

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