In allertiefster Wälder Nacht
anderen Menschen mitnehmen. Aber seine Worte nagen an mir.
Ich muss mich in den Griff kriegen. Ich dreh durch. Ich fahre auf den Seitenstreifen, mach das Fenster auf, setze mich der eiskalten Luft aus.
Ich kann es nicht ausblenden, das Gefühl, dass alles kaputt ist. Mein Leben. Patricks. Das seiner Familie. Cal. Marys Stipendiat. Ich mache Sachen kaputt. Ich bin fertig. Ich kann nicht wieder die werden, die ich mal war. Kann nicht wieder ahnungslos werden. So tun, als würde nicht ständig eine Axt über unseren Köpfen schweben.
Ich kann keinen Ausweg erkennen, stecke fest zwischen meinem alten Leben – und was? Egal, was du machst, was du willst und wie sehr du es willst – es geht schlecht aus. Für uns alle.
Ich steuere wieder raus auf die Straße. Es dämmert schon und bald wird Dad Ausschau nach dem Truck halten.
Dunkel war es
Bei meiner Rückkehr ist das Atelier hell erleuchtet und im Haus ist es still. Ich bin froh. Ich dusche lange, dann sitze ich mit angezogenen Beinen im Dunkeln am Fenster und beobachte den Mond auf dem sorglosen Wasser.
Der Arzttermin klebt an mir. Ich fühl mich eklig, beschämt. Wie ich Dr. Lang gegenübergesessen habe, wie er mich immerzu angesehen hat – als ob ich die Art Mensch wäre, die so angesehen werden muss. Von einem Psychiater. All diese Fragen. Ich will zusammenpacken und verschwinden. Aber ich kann nirgendwo anders hin.
Mein Telefon klingelt, bricht die Stille. So laut, dass ich zusammenzucke. Grabe es vom Grund meiner Tasche aus. Es ist Mary. Gelobt seist du Mary. Heilige Mary.
»Wren!«, sagt sie. Ihre sonnige Stimme.
»Hey.« Ich bemühe mich um einen normalen Ton. Ich bringe es bis auf eine Stufe über total ausdruckslos.
Pause. Ihr entgeht nichts.
»Alles in Ordnung?«, fragt sie.
»Klar. Du fehlst mir! Was ist los?« Ich wehre ihre Frage ab, dieses Mal mit etwas mehr Elan.
»Ach, nichts und alles. Du weißt ja. Ich bin wieder zurück. Gewöhne mich wieder ein. Es ist gut, hier zu sein. Aber ich vermisse euch natürlich, euch alle. Deinen Dad, die Atelierbelegschaft, Cal.«
Als sie Cal erwähnt, bin ich still. Hab nichts zu sagen.
»Ich hab nichts von dir gehört. Was gibt es Neues?«
Ich schwöre, je finsterer ich werde, desto strahlender wird sie. Entweder gleichen wir uns aus oder wir heben uns auf.
»Nicht viel.«
Ich versuche zu lachen. Das ist die reine Wahrheit. Ich strecke die Beine. Gähne. Nur ich und mein Spiegelbild, die sich einen lauen Lenz machen. Gute Zeiten.
»Meine Mom war ein paar Tage hier. Das war was. Ist ganz gut gelaufen, glaub ich.« Ich versuch’s noch mal. »Hauptsächlich vermissen wir dich. Dad sagt immer Mary zu dem neuen Heini. Macht ihn wahnsinnig.«
Ich denke mir das aus, aber irgendwas muss ich ja sagen.
»Das ist lustig«, sagt sie in einem irgendwie seltsamen Ton.
Stille.
Sie hat einen Grund für diesen Anruf. Ich hätte es wissen müssen.
»Also …«, sie zieht das Wort ein wenig in die Länge.
»Ja?«
Ich wünschte, sie würde die Bombe endlich platzen lassen. Cal hat sie gebeten anzurufen. Sie soll mir sagen, dass er über die Sache hinweg ist.
»Ich hab neulich mit Michael telefoniert, und er hat gesagt, er glaube, du würdest ziemlich viel mit Nick Bishop unternehmen?«
Na klar. Ich lege mich auf den Fußboden. Wenn ich doch lachen könnte. Fragen, an welche Teile er da speziell gedacht hat.
»Er hat sich also gut eingelebt?«
Marys Stimme geht am Ende von jedem Satz nach oben, so als könnte sie kaum glauben, was sie gesagt hat.
Ich sage nichts.
»Bist du da? Wren?«
Ich bin so frustriert, ich könnte schreien. Trotz meiner Anstrengungen, sie alle auszublenden, habe ich offenbar immer noch Gefühle.
»Ich hab nichts mit Nick«, sage ich gepresst.
»Das hab ich mir gedacht!« Sie stößt die Luft aus, klingt so erleichtert.
Obwohl ich die Antwort kenne, sage ich: »Hat Cal das etwa Michael erzählt?«
Sie lacht nervös.
»Hör mal«, sag ich. »Hast du wirklich gedacht, dass ich was mit Nick habe? So viel Energie hab ich nicht. Nicht mal die Sonne hat so viel Energie.«
Sie lacht wieder.
»Hat Cal das zu Michael gesagt?« Ich muss es wissen.
»Keine Ahnung. Michael hat mir nur erzählt, dass er mit Cal geredet hat und dass der total fertig klang.«
Ich lege den Arm über die Augen. Ich bin so müde.
»Michael hat nachgehakt und Cal hat irgendwas über dich und Nick gesagt, ihr würdet was zusammen unternehmen? Lauft ihr zusammen?«
Ich möchte auflegen. Schlafen. Ich kann die
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