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In allertiefster Wälder Nacht

In allertiefster Wälder Nacht

Titel: In allertiefster Wälder Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy McNamara
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mich wartet, dass es andere Menschen schrumpfen lässt, mir Raum zum Atmen verschafft. Ich grabe mir einen Tunnel zurück zu mir selbst und fühle mich besser. Weit weg von allem.
    Langes Schweigen. Er wartet, als ob wir den ganzen Tag Zeit hätten.
    »Ich glaub, es gibt mir das Gefühl, irgendwie isoliert zu sein. So als müsste ich nicht auf andere Leute reagieren, wenn mir nicht danach ist.«
    »Wren, hast du an Selbstmord gedacht?«
    Mein Körper zuckt zusammen bei diesen Worten. Als ob er mir einen Elektroschock verpasst hätte.
    »Das würde ich Ihnen gerade erzählen«, sage ich, ehe ich mich zurückhalten kann.
    Erschüttert ihn nicht. Er behält mich im Blick.
    »Hast du einen Plan?«
    Ich gucke weg. Ich muss das nicht mitmachen. Hier sitzen. Diese Fragen beantworten. Ich muss nicht mal wieder herkommen. Genau genommen könnte ich wahrscheinlich jetzt sofort weggehen, meiner Mutter sagen, es sei toll gelaufen. Er kann ihr nicht Bericht erstatten. Ich bin achtzehn. Ich habe ein Recht auf Privatsphäre, ärztliche Schweigepflicht.
    »Wren, ich habe dich gefragt, ob du einen Plan hast, dein Leben zu beenden?« Seine Stimme zieht mich wieder aus dem wütenden Strudel in meinem Kopf, die Augen ruhen auf mir. Er ist aufs Warten eingestellt.
    Ich schweige. Kann den Mund nicht aufmachen. Nein. Hab ich nicht. Natürlich nicht. Nicht mehr als jeder andere. Aber ich kann nicht sagen, dass mir der Gedanke nie gekommen wäre.
    Dann geht mir auf, dass andere vielleicht nie an solche Sachen denken. Dass ich viel kaputter sein könnte, als ich glaube. Ich rutsche ein bisschen tiefer in seine Couch.
    »Ich habe die ethische Verpflichtung einzuschreiten«, sagt er sanft, »wenn ich das Gefühl habe, dass du gefährdet bist. Ich weiß, wir haben uns gerade erst kennengelernt und du bist nicht auf eigenen Wunsch hier, aber wenn du ein wenig Geduld mit mir haben würdest, während ich ein paar Dinge festhalte, dann können wir uns daranmachen, einen Weg zu finden, dir zu helfen, dich besser zu fühlen.«
    Besser fühlen. Unwahrscheinlich. Das scheint total am Thema vorbei zu sein. Nur weiß ich nicht, was das Thema eigentlich ist.
    »Nein«, sage ich schließlich. »Ich habe keinen Plan.« Ich schlage ein Bein übers andere, nehme es wieder runter. »Aber wer denkt denn nicht ab und zu mal dran?«
    Plötzlich will ich ihn davon überzeugen, dass es mir gut geht. Dieses Gespräch will ich nicht in meiner Akte haben.
    »Ich hecke nicht aus, wie ich alles beende«, sage ich. »Abgesehen davon, würde es meinen Vater umbringen … meine Eltern. Das könnte ich ihnen nicht antun.«
    Er nickt, als ich meinen Vater erwähne. »Du stehst ihm nahe? Deinem Vater?«
    »Glaub schon.« Ich zucke die Achseln. »Jetzt.« Jetzt, wo ich mich in seiner Umlaufbahn befinde. Nur weiß ich nicht mehr so recht, was es eigentlich bedeutet, jemandem nahe zu sein. Mir geht auf, dass ich zurzeit wirklich niemandem nahe bin. Ein komisches Gefühl.
    »Okay …« Er zieht das Wort in die Länge, während er weitere Notizen macht. Dieses Mal sieht er mich beim Schreiben wenigstens nicht an.
    »Also, meine Mom und ich stehen uns auch nahe, würde ich sagen, aber mit Dad ist es anders. Er ist entspannter. Setzt mich nicht unter Druck, was zu tun.«
    Noch mehr Notizen. Beim Schreiben nickt er. Ob er festhält, was ich gesagt habe, oder für sich selbst Notizen macht, wird nicht klar. Ich rutsche auf der Couch herum.
    »Hab ich die Prüfung bestanden?«
    Das sollte eigentlich spitz klingen. Voll daneben. Es klingt aufrichtig. Und zurücknehmen geht nicht.
    Er schaut über den Brillenrand und schenkt mir ein Lächeln, das er bestimmt für beruhigend hält. So als ob wir unter einer Decke stecken würden und dieser Moment uns nähergebracht hätte. Dr. Lang legt den Stift hin und lehnt sich zurück, faltet die Hände wieder über dem Bauch.
    »Erzähl mir doch, was geschehen ist. Warum hat deine Mutter plötzlich das Gefühl, du müsstest einen Psychiater aufsuchen?«
    »So plötzlich ist das nicht. Und der Grund ist, dass sie so ist.«
    Mich erfasst eine Welle des Hasses auf sie, weil sie mich zwingt, das hier zu tun. Hier zu sitzen. Mit diesem Typen.
    Schweigen von Dr. Lang.
    »Ich habe einen Fehler gemacht. Es war ein unglaublich dummer Fehltritt und dann sind wir verunglückt und sie kann mich einfach nicht vom Haken lassen – um damit klarzukommen. Wahrscheinlich ist sie wütend auf mich. Sie ist diejenige, die hier sitzen sollte, um über alles zu

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