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In allertiefster Wälder Nacht

In allertiefster Wälder Nacht

Titel: In allertiefster Wälder Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy McNamara
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jetzt bitte? Ich rede nur mit dir darüber, wenn du etwas isst.«
    »In Ordnung.« Ich nehme einen Bissen und kaue betont lustvoll. Wie in einer Werbesendung für Brot. Er verdreht die Augen.
    »Sie ist gekommen, weil sie mir sagen wollte, dass ich das Studienprogramm fortsetzen soll. Sie würden mich nehmen, mich nach Europa gehen und Barcelona mit ihr abschließen lassen.«
    Obwohl er hier sitzt, mit mir, nicht mit ihr, tauchen zwei heiße Flecke auf meinen Wangen auf. Ich hab’s gewusst.
    Mein Magen geht auf Talfahrt. Er sollte nicht hierbleiben, sie hat recht, er muss wieder zurück an die Uni.
    »Und?«
    »Und was?«, sagt er.
    Er zeigt auf mein Essen. Ich tunke das Brot wieder ein.
    »Ich hab Nein gesagt.« Er seufzt.
    »Einfach so.«
    Er nimmt einen Schluck Wasser.
    »Kam nicht so gut bei ihr an. War nicht ganz so der höfliche Abschied, den ich im Sinn gehabt hatte. Sie war sauer, dass ich die ganze Nacht weg war, dass ich vorhatte, wieder hier rüberzufahren.«
    Mein Gesicht ist immer noch heiß. Mehr Essen kann ich nicht in den Mund stecken. Ich gucke auf meine im Schoß liegenden Hände. Denke nach über das, was er gesagt hat, wovor er immer noch wegläuft. Ich schaue ihn an.
    »Cal, sie hat recht. Du solltest wieder zurück an die Uni gehen. Du brauchst dich hier oben nicht zu verstecken. Mein Dad hat mir erzählt, was letzte Nacht war … wie du mir nachgelaufen bist. Wenn du jemandem wie mir im Wald hinterherrennen kannst, bist du nicht zu krank fürs Architekturstudium.«
    Seine Augen. Heute Abend sind sie dunkelgrau. Während ich rede, guckt er erst verärgert, dann nachdenklich. Er fixiert mich auf eine Art, die alles andere verschwinden lässt.
    »Ich weiß. Vielleicht hast du recht. Ich denke drüber nach, wieder zur Uni zu gehen, aber nicht wegen Susanna oder Barcelona. Was ich tun werde, ist etwas, über das ich mir klar werden muss, für mich. Es war ein Fehler, sie herkommen zu lassen. Dabei sind alte Gefühle wieder hochgekommen, Erwartungen, Pläne. Das ist jetzt ihr Leben, nicht meins. Es war blöd, aber ich dachte, wir könnten es besser zu Ende bringen.«
    »Du hast sie einfach dagelassen?«
    »Glaub mir, sie wollte ganz bestimmt nicht mit hierher«, sagt er.
    Ich schüttele den Kopf.
    »Das hab ich nicht gemeint und das weißt du. Sie ist allein? Bei dir zu Haus?«
    »Wren, ich hab sie wegen mir zu Hause gelassen, nicht deinetwegen.« Er nimmt meine Hand und drückt den Löffel rein. »Ich möchte heute nirgendwo anders sein, heute Nacht.«
    Ich starre ihn an. Das kann doch nicht mein Leben sein.
    »Ich musste bei dir sein … wissen, dass du nicht im Begriff bist, dich ins Meer zu werfen oder von einem Luchs fressen zu lassen.«
    Er fährt sich mit der Hand durchs Haar, streicht es sich aus den Augen. Es fällt wieder nach vorn.
    Wahrscheinlich gucke ich immer noch ungläubig, denn er sagt: »Wenn sie sich erst mal beruhigt, ist sie okay. Es ist was zu essen da, saubere Bettwäsche, morgen früh wird sie mit dem Auto abgeholt. Ich hab mich verabschiedet.«
    Er reißt ein kleines Stück Brot ab und wirft es in meinen Teller. Eintopf spritzt auf mich.
    Das ist viel auf einmal. Er hat sie allein gelassen. Um hier zu sein, bei mir. So soll sich das vielleicht anfühlen … Liebe, beständig im Angesicht der Dinge.
    Wir essen schweigend. Hinter uns ist das Meer mondhell und laut.
    Nachdem wir aufgeräumt haben, gleiten wir Hand in Hand auf Socken wieder in mein Zimmer, klettern still in mein kleines Bett.
    Kurz bevor wir einschlafen, flüstert er: »You have promises to keep, and miles to go before you sleep.« Ich komme drauf.
    »Robert Frost«, murmele ich an der Schwelle eines Traums.
    »Das hast du letzte Nacht versucht zu sagen.«
    Er zieht mich an sich, ganz fest. Wir schlafen ein.

Ist schwer, Argumente gegen die vorliegenden Beweise anzuführen
    Die Tür der Bibliothek schwingt weit auf und ein Schwall eisiger Luft rast über den Fußboden auf meine Knöchel zu. Meine Knochen sind immer noch kalt, sie halten den Schmerz fest wie einen Groll.
    »John«, sagt Lucy, die lächelnd aufschaut. Sie streicht sich eine graue Strähne hinters Ohr und weist mit schräg gelegtem Kopf auf die Auskunftstheke, an der ich stehe. Ich versuche, einen Sammelband mit Kinderreimen zu reparieren, der zurückgegeben wurde. Vier Seiten sind so intensiv gelesen worden, dass sie fast vollständig aus dem Buch rausgerissen wurden.
    »Was ist los?«, frage ich, mein Herz schlägt schneller. Es ist seltsam, Dad

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