In alter Freundschaft - Kriminalroman
halbseidener Kompromiss, der sich auch darin ausdrückt, dass die silbernen Milchkännchen den Einheitsplastikmilchdöschen gewichen sind.
Ich zupfte also an dem Milchdöschen und sprühte mir wie selbstverständlich ein paar Tropfen aufs Hemd, als Gerd Bohnenfeld an meinen Tisch trat. Wir hatten als Erkennungszeichen das Mitführen einer Frankfurter Rundschau vereinbart, ein Blatt, mit dem man an diesem Ort auffallen musste.
Er setzte sich grußlos und ich verwischte mit der Serviette die Milchtropfen auf dem Hemd.
»Herr Wilsberg, nehme ich an.«
»Richtig«, sagte ich.
»Also! Ich habe nicht viel Zeit. Kommen Sie zur Sache!«
Sein Auftritt entsprach dem gängigen Klischee des Jungdynamikers: weißes Hemd, kariertes Jackett, nervöses Wippen mit den Beinen und fahrige Handbewegungen. Dagegen, dass er beim Sprechen Schaum in die Mundwinkel bekam, musste er allerdings noch etwas unternehmen.
»Wie haben Sie Ines Block kennengelernt?«
»Wen interessiert das?«
»Mich.«
»Einen Kaffee«, bellte er die Kellnerin an, die neben ihm stand.
»Herr Bohnenfeld«, setzte ich nach, »das Beste für Sie ist, mir alles zu erzählen, was Sie wissen. Dann kann ich nämlich unter Umständen davon absehen, Ihren Namen der Polizei zu nennen. Ein Ermittlungsverfahren wegen Mordverdacht dürfte sich nicht positiv auf die Geschäftsentwicklung Ihrer Werbeagentur auswirken.«
Er schluckte. »Haben Sie das meiner Frau erzählt?«
»Ich arbeite diskret. Solange es die Umstände erlauben.«
Das schien ihn ein wenig zu beruhigen.
»Ich habe Ines vor ein paar Wochen kennengelernt. In einer Discothek. Meine Frau war bei ihren Eltern und ich bin mit einem Freund ausgegangen. Im Laufe des Abends kam ich mit Ines ins Gespräch. Anschließend hat es sich so ergeben, dass wir zu mir gegangen sind.«
Ich schaute ihn ungläubig an.
»Nun ja, das ist nichts Besonderes für mich. Vor meiner Ehe war ich ein Spezialist auf dem Gebiet. Man sieht den Frauen doch an, was sie wollen.«
Ich verschluckte mich am Kaffee und hustete heftig. Als ich wieder zu Luft kam, sagte ich: »Und Ines … äh … wollte?«
»Na klar. Ich bin im Bett nicht der Schlechteste, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Ich gab mir Mühe, nicht darüber nachzudenken, sonst hätte ich mich auf der Stelle übergeben müssen.
»Was geschah weiter, ich meine, nach dieser Nacht?«
»Nichts.«
»Kein weiteres Treffen, kein Telefonanruf?«
»Na ja, am nächsten Tag rief ihr Typ an. Das war mir schon ziemlich unangenehm. Ich wollte ja keine Affäre oder so. Eine Nacht, das geht in Ordnung. Aber alles andere kann ich mir nicht leisten. Schon wegen meiner Frau. Das Geld ihres Vaters steckt zur Hälfte im Geschäft.«
»Das haben Sie ihm erzählt?«
»Genau. Ich weiß nicht, ob ihn das beruhigt hat, jedenfalls habe ich nichts mehr von ihm gehört.«
»Und mit Ines haben Sie nicht mehr gesprochen?«
»Nein. Wozu auch?«
Das fragte ich mich bereits seit einiger Zeit. Irgendwie musste sich die Ines, die ich einmal gekannt hatte, gewaltig verändert haben. Früher hatte sie einen besseren Geschmack bewiesen.
»Da fällt mir ein«, unterbrach Bohnenfeld meine düsteren Gedanken, »ich habe sie vor Kurzem gesehen. Auf der Straße. Mit einem Mann.«
»Wie sah er aus?«, fragte ich.
Die Beschreibung, die Bohnenfeld mir gab, hatte keine Ähnlichkeit mit Armin Hinz oder Klaus Breider.
VIII
Ich schlief achtzehn Stunden. Und hätte nicht das Telefon geklingelt, wäre ich vermutlich als längster Langschläfer der Welt ins Guinness-Buch der Rekorde gekommen.
Es war Armin. Er wollte wissen, ob ich etwas herausgefunden hatte. Ich grunzte in einem Ton, der in der Mitte zwischen Ja und Nein lag.
»Was meinst du?«
»Ich meine, wir sollten uns treffen. Ich habe noch ein paar Fragen.«
»Kein Problem, ich bin in der Nähe von Münster.«
Ich überlegte. »Besser, du kommst nicht zu mir. Ich möchte nicht, dass du hier gesehen wirst.«
Wir einigten uns auf den Botanischen Garten im Schlosspark, Abteilung tropische Pflanzen.
Auf dem Weg zum Schloss vergewisserte ich mich, dass mir niemand folgte.
Das münstersche Schloss, als fürstbischöflicher Sitz gebaut und heute von der Universitätsverwaltung in Beschlag genommen, liegt idyllisch hinter dem größten Parkplatz der Stadt, dem Hindenburgplatz, und an der Einfallschneise für Tausende von Pendlern, die hier ihre Autos abstellen.
Hinter dem Schloss wird es grün, ohne dass der münstersche Sinn für Ordnung
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