Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In angenehmer Gesellschaft

In angenehmer Gesellschaft

Titel: In angenehmer Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
Vom Netzwerk:
gesprochen«, sagte ich.
    »Hast du ihm die ganze schreckliche Wahrheit erzählt? Wie unmöglich ich bin?« Sie lachte.
    Ich sagte: »Ich habe deinem Vater erzählt, daß du morgen früh die letzte Anprobe hast und deshalb bald schlafen mußt.«
    »Wir trinken nur dieses Glas, Mutter.«
    Ich stand auf. »Es tut mir leid, Jessica, Liebes. Ich habe es mir überlegt. Ich bin zu müde und gehe lieber gleich zu Bett.«
    »Mutter!« Sie war enttäuscht.
    Ich wandte mich zu Pogo. »Ich überlasse sie deiner Obhut. Willst du darauf achten, daß sie vernünftig ist und bald zu Bett geht?«
    Gehorsam sagte er: »Ja, Kate.«
    Ich gab Jessica einen Kuß, sagte Pogo Gute Nacht und ging in mein Zimmer. Vielleicht hätte ich nach Jim sehen sollen, doch es wäre sinnlos gewesen, ihn zu stören.
    Ich zog mich aus und kroch ins Bett; jeder Knochen und jeder Muskel tat mir weh; ich war wie zerschlagen. So ging der erste Tag zu Ende.

6

    Wie gewöhnlich wurde ich beim ersten Morgengrauen wach und merkte sofort an meiner Stimmung, daß ich schlecht geträumt hatte. Ich war reizbar und bedrückt. Was, dachte ich, würde dieser Tag bringen? So schlecht wie der gestrige konnte er nicht werden, weil das Schlimmste schon eingetroffen war: Pogo war gekommen. Jetzt brauchte ich nur noch die Zähne zusammenzubeißen und durchzuhalten, bis Jessica verheiratet war. Dann würde Pogo wieder unterwegs sein, nach Athen oder Belgrad oder sonstwohin.
    Toy hatte meinen Kaffee fertig, als ich hinunterkam. Ich sah, daß auch er sich noch nicht von dem Schock erholt hatte, der ihm durch Pogos Ankunft versetzt worden war. Er war blaß und nervös.
    Wir begrüßten uns, erörterten oberflächlich die Wetterlage, den Stand unserer Lebensmittelvorräte, die Wäsche, die weggegeben werden mußte, und welche Möbel zum Polieren dran waren. Dann sagte ich: »Toy, wenn ich du wäre, würde ich Mr. Dougherty heute vormittag aus dem Wege gehen.«
    Er stimmte völlig darin mit mir überein. »Ja, Ma’m.«
    »Und ich rate dir, auch Mr. Poole aus dem Wege zu gehen.«
    »Ja, Ma’m. Darauf können Sie sich verlassen!«
    »Und im Vertrauen, Toy: Mr. Poole ist nicht ganz zu trauen. Aber das bleibt unter uns!«
    »Stiehlt Handtücher?«
    »Nein, das nicht. Bloß ein bißchen vorsichtig sollst du sein.«
    »Ich verstehe.«
    »Gibt es Neuigkeiten?«
    »Russen.«
    »Ach herrje! Weiter nichts?«
    »Blondine gefunden. Kehle durchgeschnitten.«
    »Fürchterlich!«
    »Wahrscheinlich schlechtes Mädchen.«
    Ein paar Minuten später kam Jessica in einem roten Samtkleid auf Zehenspitzen die Treppe herunter. Sie sah reizend aus, groß, frisch und jünger als je. Das Herz wurde mir warm.
    Sie trat auf Zehenspitzen zu mir und flüsterte: »Guten Morgen, Mutter.«
    »Guten Morgen, Liebes. Ist etwas nicht in Ordnung?«
    »Nein. Alles ist tadellos und wundervoll!«
    »Weshalb läufst du denn auf Zehenspitzen und flüsterst so?«
    »Pßt! Mein Vater schläft!«
    »Unsinn! Hör damit auf!«
    Sie schwieg verletzt.
    »Im Ernst!« sagte ich.
    »Aber, Mutter! Er ist den ganzen Weg von Afrika hierhergeflogen, und dann habe ich ihn noch auf die Party mitgeschleppt.«
    »Dazuhat er sich selbst eingeladen. Und jetzt hör mir mal zu: dein Vater kann ein Erdbeben verschlafen — er hat es mehrere Male wirklich getan. Du brauchst nicht zu fürchten, daß er vor elf wach wird. Dann wird er in seinem Hausmantel herunterkommen, brillante Konversation machen und jedem im Wege stehen. Und wenn wir uns zum Mittagessen setzen wollen, verlangt er sein Frühstück.«
    »Warum bist du so feindselig gegen ihn?«
    »Bitte, Jessica, glaube mir: ich bin nicht feindselig gegen ihn. Ich schildere dir nur Tatsachen. Er geht spät zu Bett, schläft lange, und ich will nicht den ganzen Haushalt dadurch auf den Kopf stellen lassen, daß jeder auf Zehenspitzen geht und flüstert. Das ist alles.«
    Sie sagte knapp: »Er hat mich gebeten, ihn um halb acht zu wecken.«
    »Was?«
    »Er hat mich gebeten, ihn um halb acht zu wecken«, wiederholte sie.
    »Um Himmels willen! Weshalb?« Ich bekam Angstvorstellungen: Pogo und Jim beim gemeinsamen Frühstück.
    »Ich habe ihn gebeten mitzukommen.« Sie sah aus, als ob sie in Tränen ausbrechen würde. »Ich will, daß er sieht, ob das Kleid mir steht.« Ihre Stimme zitterte. »Ich will sein Urteil hören — ist das falsch?«
    Ich bekam es nicht fertig, sie noch mehr zu kränken. Ich legte einen Arm um ihre Schultern und tätschelte sie. »Nein, Liebling, natürlich ist es nicht

Weitere Kostenlose Bücher