In angenehmer Gesellschaft
Unglück so groß geworden ist.«
»Wie kommst du auf solche Idee? Mutter! Hast du gehört, wie Vater über San Franzisko denkt?«
»Entschuldigt — ich habe schon fast geschlafen.«
Sie ließ mich wieder links liegen. »Weißt du, Vater, was ich in den nächsten Tagen tun werde?«
»Was?«
»Dir San Franzisko zeigen.«
»Mit dir gehe ich überallhin. Wenn deine Mutter nichts dagegen
hat.«
»Weshalb sollte sie?! Hast du gehört, Mutter?«
Ich seufzte und antwortete nicht.
»Mutter schläft«, sagte Jessica leise.
»Armes altes Ding — sie muß müde sein«, sagte er mitleidig.
Armes altes Ding! Ich!
»Sie ist nicht daran gewöhnt, so lange aufzubleiben«, erklärte Jessica. »Jim und sie leben sehr ruhig. Sie gehen selten aus und liegen meist gegen elf im Bett.«
»So?« sagte Pogo.
»Jim will morgens frisch und ausgeschlafen an die Arbeit gehen, und Mutter macht sich nichts aus Gesellschaften.«
»Tatsächlich?«
»War sie nicht so, als ihr verheiratet wart?«
»Solange ich deine Mutter kannte«, sagte Pogo, »konnte sie nie genug Vergnügungen haben. Sie langweilte sich nie, und nicht zuletzt deshalb war ich so begeistert von ihr. Auf jeder Gesellschaft war sie der Mittelpunkt, und oft bekam man sie überhaupt nicht ins Bett. Und da sie außergewöhnlich schön und ich wahnsinnig in sie verliebt war, habe ich manchmal darunter gelitten.«
»Ich bin so glücklich darüber«, sagte Jessica, »daß ihr euch wirklich geliebt habt!«
»Weshalb?«
»Weil es für ein Kind schön ist zu wissen, daß seine Eltern sich geliebt haben.«
Er schwieg, und ich hätte weinen können.
Als wir vor dem Hause hielten, stieß sie mich sanft an und sagte: »Wach auf, Mutter! Wir sind zu Hause.«
Drinnen war alles ruhig. Jim und mein Vater waren offensichtlich schon zu Bett gegangen. Auf dem Tisch lag ein Zettel von Jim: Ich hoffe, ich habt euch amüsiert. Schlafe im Blauen Zimmer.—Ich glaube nicht, daß es im geringsten böse gemeint war. Er wollte mich wirklich nur wissen lassen, wo er war, für den Fall, daß ich ihn suchte.
»Du mußt todmüde sein, Mutter«, sagte Jessica, »willst du nicht gleich zu Bett gehen?«
»Ja, aber ich will auch nicht, daß du noch lange aufbleibst, Liebling. Du hast einen ebenso schweren Tag hinter dir.«
»In ein paar Minuten«, sagte sie lustig. »Vater, kann ich dir noch einen Schlaftrunk bringen?«
»Eine gute Idee!«
Sie drängte sich danach, ihn zu bedienen. Wenn er gesagte hätte, und zieh mir bitte die Schuhe aus, wäre sie ihm sofort zu Füßen gefallen. »Was willst du haben?« fragte sie.
»Einen Spritzer Kognak, bitte, in einem großen Glas Soda.«
»Das hört sich gut an. Das trinke ich auch.«
»Jessica!« sagte ich.
»Keine Angst, Mutter! Ich werde keine Trinkerin. Es hört sich nur so gut an, daß ich Appetit darauf bekam. Soll ich dir nicht auch ein Glas bringen?«
Ich zögerte und sagte dann: »Nein, danke. Ich gehe ins Bett.«
»Mutter — ein einziges Glas! Dabei plaudern wir ein paar Minuten und gehen dann alle zu Bett.«
Pogo mischte sich ein. »Warum nicht, Kate? Ein Spritzer Kognak kann dir nicht schaden, und du schläfst glänzend danach.«
»Ich schlafe auch ohne Kognak sehr gut.«
»Bitte, Mutter, bitte!« rief Jessica. »Noch nie habe ich euch beide so wie jetzt zusammen gehabt. Es ist der aufregendste Tag meines Lebens!«
Der aufregendste Tag ihres Lebens! dachte ich bitter, obwohl ich sie verstand. »Gut, Jessica«, sagte ich. »Ein Glas werde ich mittrinken, wenn es nicht zu lange dauert.«
»Fein!« rief sie und rannte aus dem Zimmer.
»Willst du dich nicht setzen, Kate?« sagte Pogo.
»Danke!«
Höflich rückte er mir den Sessel zurecht. »So ist es besser, nicht wahr?«
»Ich bin noch keine alte Dame, Pogo!«
»Natürlich nicht! Du hast dich bemerkenswert jung gehalten.«
»Jedenfalls brauchst du mich nicht >armes altes Ding< zu nennen!«
»Du hast also vorhin gar nicht geschlafen?!« Er sah erheitert aus. »Das hätte ich wissen sollen!«
»Bitte, Pogo«, sagte ich, »laß uns nicht zu lange hier sitzen. Jessica ist abgehetzt und müde und muß morgen früh zur letzten Anprobe des Hochzeitskleides. Ich möchte, daß sie so bald wie möglich ins Bett kommt.«
Er sagte: »Kate, was ist mit dir los?«
Wir waren kaum dreißig Sekunden allein, und schon hatte er mich in Wut gebracht. »Nichts ist mit mir los. Biddeford Poole. Höchstens, daß ich vernünftiger geworden bin. Jessica soll nicht zu wenig Schlaf haben — das
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