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In besten Kreisen

In besten Kreisen

Titel: In besten Kreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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immerhin weiß ich, daß ich dir, solltest du gleichzeitig ertrinken und verbluten, sofort eine Kompresse anlegen und dann auf den geeigneten Zeitpunkt für die künstliche Beatmung warten muß. Ich muß daran denken, Leo beim Dinner zu fragen, wie lang es nach Ansicht von Mr. Artifoni dauert, bis man an einer Schußwunde stirbt.« Entsprechungen
     
    R eed und Kate saßen an den gegenüberliegenden Enden der Tafel; ab und zu begegneten sich ihre Blicke, aber meistens lauschten sie den Gesprächen der anderen am Tisch. Es war ein schöner Spaziergang gewesen und ein schöner Nachmittag. Die Cocktailstunde war zwar von Leos Rückkehr wenn nicht zerrissen, so doch gestört worden, aber Reed sah keinen Anlaß, sich zu beklagen, Kate schien die ganze Geschichte mit Leo als eine faszinierende Erfahrung anzusehen, wie eine Safari oder die Erkundung eines Pols: schwierig, körperlich erschöpfend, aber lehrreich und angefüllt mit Stoff für künftige Anekdoten, falls man überlebte.
    Mr. Mulligan war zur Cocktailstunde gekommen. Er erwies sich als angenehmer, wenn auch ein wenig wichtigtuerischer Mann um die vierzig. »Sie haben also Mary Bradford schon kennengelernt«, hatte Mr. Mulligan gesagt, ließ sich einen Martini einschenken und sank mit sichtlicher Befriedigung in einen Sessel vor dem Kamin.
    »Dann muß ich sie Ihnen ja nicht mehr beschreiben. Ich gelte als Literaturkritiker, und ich habe versucht, Mary Bradford meinen Freunden zu schildern, aber die hegen immer den Verdacht, daß meine Phantasie mit mir durchgeht. Lassen Sie mich Ihnen versichern, daß ich, der ich als Letzter – zu Recht oder zu Unrecht – die Tugend der Rechtschaffenheit für mich reklamiere, auf alle Fälle nicht an Orgien teilnehme, weder alkoholischer noch sexueller Art.« »Daß Sie Schriftsteller sind, habe ich gar nicht gewußt«, sagte Kate. »Ich habe Sie für einen trockenen Akademiker gehalten, wie ich einer bin.« »Verträumte Akademiker schreiben, haben Sie das nicht gewußt? In meinem Fall ist es so, daß ich viel zu viele Bücher schreibe, die ›Die Zukunft des Romans‹, ›Der Roman und das moderne Chaos‹ oder ›Form und Funktion moderner Fiktionsliteratur‹ heißen – für eine richtige Alliteration hätte da natürlich ›französischer Fiktionsliteratur‹ stehen müssen, aber leider, leider, ich kann kein Französisch.
    In allen meinen Büchern ist die Rede vom Niedergang der alten Werte und der Leere des modernen Lebens. Sie kennen das sicher.
    Ich habe den Verdacht, keines der Bücher ist zu etwas nütze, aber ich habe so viele geschrieben, daß das Ganze einfach irgendwann Eindruck machen mußte, und so bin ich nicht nur in Amt und Würden und zu einer ordentlichen Professur gekommen, sondern ich werde auch zu Vorträgen vor Frauenvereinen eingeladen, und im nächsten Herbst soll ich vielleicht sogar einen Frühkurs im Fernsehen halten.
    Was kann der Mensch sich mehr wünschen?« »Wer bringt Ihre Bücher heraus?« fragte Kate. »Die University of Southern Montana Press?« »Nein, so merkwürdig das ist: die Calypso Press.« »Dann unterschätzen Sie aber Ihre eigenen Bücher. Wenn Sam Lingerwells Verlag sie herausbringt, dann sind sie ohne Zweifel erstklassig.« »Tun Sie mir den Gefallen, liebe Lady, und bleiben Sie bei dieser Annahme. Wir müssen wohl schreiben oder untergehen, aber ich sehe keinen Grund, voller Langeweile unterzugehen, während ich lese, was die anderen geschrieben haben. Die Irrationalitäten des akademischen Lebens müssen doch nicht bis zu ihrer logischen Konsequenz geführt werden. Ja, danke, ich hätte gern noch einen Drink.« Das war zur Cocktailstunde gewesen. Nun, beim Dinner, verkündete Leo: »Heute morgen habe ich Mary Bradford genau zwischen die Augen getroffen, da bin ich ganz sicher. Also, jedenfalls seitlich am Kopf, stimmt’s, William? « »Sehr wahrscheinlich«, sagte William, dessen Interesse mehr dem Hühnchen im Gemüsebett galt.
    »Es ist wirklich unglaublich«, bemerkte Emmet, »daß wir nicht aufhören können, über dieses schreckliche Frauenzimmer zu reden.
    Womit hast du sie denn ›erwischt‹, Leo? Ich hoffe doch sehr, mit etwas, das sicher zu ihrem Tode führte.« »Mary Bradford«, sagte Kate, »ist wie eine Kriegsdrohung oder wie der starke Verdacht, daß man schwanger ist: Es ist absolut unmöglich, an irgend etwas anderes zu denken. Aber wenn wir uns zusammennehmen, dann ist zumindest der Versuch eines Themawechsels möglich. So oder so, die Frau ist

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