In besten Kreisen
Reed das Gefühl, gerade einen Luftangriff überlebt zu haben; jetzt müßte nur noch eine Sirene Entwarnung geben.
»Was betrachtet man in dieser Gegend als Lunch?« fragte Reed.
»Wenn du glaubst, ein gewisses Zittern in meiner Stimme zu hören, so kann ich dir sagen, es stimmt. Kate, meine Liebe, ich habe den sehnlichen Wunsch, daß du in die Zivilisation zurückkehrst, und ich hoffe, dich dann stundenlang mit Beschlag belegen zu dürfen, aber ich fürchte, ich bin einfach zu schwach, um den Unbilden des Landlebens gewachsen zu sein. Ich weiß nicht, was schrecklicher ist: auf einem Traktor herumgerüttelt zu werden, mich im Dung zu wälzen oder mir den Redeschwall dieses leuchtenden Engels von nebenan anzuhören. Sie ist nicht nur bösartig und leidet an Logorrhöe, sie bringt auch keinen einzigen Gedanken zu Ende. Wer ist dieser Genußmensch mit den Mädchen und den Orgien ein paar Häuser weiter?« Kate lachte. »Ein sehr amüsanter Mensch, und wie der Zufall es will, kommt er heute abend zum Dinner. Er ist ein paarmal vorbeigekommen und hat uns eingeladen, und schließlich habe ich mich revanchiert. Genau so, wie du darauf bestehst, hier barfuß herumzulaufen, und Mary Bradford damit jede Menge Stoff lieferst, für das nächste Täßchen Kaffee bei der nächsten Nachbarin, spielt Mr. Mulligan voller Hingabe für sie den betrunkenen Playboy. Ich habe mich lange genug mit ihm unterhalten, um zu wissen, daß er ordentlicher Professor für Englisch ist und eine ganze Reihe kritischer Bücher über Literatur veröffentlicht hat. Bitte, fahr nicht weg, Reed. Bleib wenigstens bis morgen, lerne Mr. Mulligan kennen, und gib uns eine Chance, deinen Glauben an das Landleben wiederherzustellen. Es hat seinen Charme, weißt du? Offenes Feuer, stille, lange, einsame Spaziergänge und eine Schönheit, die einem manchmal den Atem nimmt.« »Die Schönheit ist mir auf meiner Traktorfahrt aufgefallen. Würdest du jetzt einen von diesen einsamen Spaziergängen mit mir wagen? Als ich heute morgen einen Fuß auf die Straße gesetzt habe, wurde ich nämlich von der industriellen Revolution fast niedergewalzt.« »Wir nehmen ein paar Sandwiches mit – ich verspreche dir, nicht mit Erdnußbutter – und genießen unseren Lunch oben auf dem Hügel dort. Der braune Hund kommt sicher mit, aber ansonsten wird es ganz friedlich sein. Natürlich wird uns zweifellos Mary Bradford hinaufwandern sehen und das Schlimmste vermuten.« »Ich sehe es als meine moralische Verpflichtung an, wenigstens eine von Mary Bradfords Verdächtigungen Wahrheit werden zu lassen. Mir geht es schon viel besser. In Ordnung, ja, ich ziehe mir auch wieder Schuhe an.« »Und ich mache die Sandwiches.« »Alsdann«, sagte Reed, »ich bin bereit, bis morgen früh zu bleiben und die Möglichkeiten des ländlichen Lebens noch einmal einer Prüfung zu unterziehen. Beim Dinner ist Leo doch sicher dabei, oder?« »Und Emmet und William, aber ohne den Rest aus dem Lager der Araby Boys. Leo wird referieren, was er bei Mr. Artifoni gelernt hat – über Erste Hilfe –, aber sonst wird es nicht allzu schlimm werden. Warte nur ab. Du wirst sehen, Mr. Mulligan ist nett, und Emmet ist wirklich in seiner blassen Art so interessant wie William mit seiner Großtuerei.« »Ich freue mich, den Nachmittag auf den Hügeln auf meine Art zu verbringen. Da gibt es doch keine Kuhherden«, fügte er hinzu, »oder etwa einen Bullen?« »In dieser Gegend gibt es keine Bullen.« »Woher kommen dann die Kälber? Unbefleckte Empfängnis?« »Künstliche Befruchtung.« »Kein Zweifel, das ländliche Leben ist dekadent, unmoralisch und macht jedes Seelenleben zunichte. Hat der braune Hund einen Namen? Anscheinend sind wir Freunde geworden.« »Brownie.« »Und wie heißt die rote Katze?« »Kassandra. Sie gehört Emmet. Aber gewöhnlich nennen wir sie Pussens.« »Was war das?« Reed blieb stehen, einen Fuß auf der Veranda.
»Jemand schießt auf Murmeltiere.« »Glaubst du, der Jemand könnte aus Versehen auch auf uns schießen?« »Also, erstens haben sie Zielfernrohre auf ihren Gewehren, und zweitens werden sie uns doch von Murmeltieren unterscheiden können.« »Kate?« »Ja.« »Beeil dich und mach diese verdammten Sandwiches.
Wenn wir erschossen werden, dann laß uns gemeinsam sterben, einer in des anderen Armen.« »Wir machen einfach nur einen Spaziergang«, sagte Kate.
»Ich frage mich«, sinnierte Reed, »was sich Mary Bradford unter einer ländlichen Orgie vorstellt. Na gut,
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