In besten Kreisen
gelehrtes Haus mal ausgedrückt hat, daß das einzige Verbrechen, das es beim Sex geben kann, Mangel an Vergnügen ist.« »Ich wollte, ich könnte Ihnen erklären, was ich fühle.« »Macht nichts. Konzentrieren Sie sich auf die Erklärung der Feinheiten in Hopkins’ Prosodie, denn darüber wollen Sie schließlich promovieren, und Sie müssen erst einmal die Schreibhemmung überwinden, die derzeit Ihre Dissertation blockiert. Denken Sie an den weisen Ausspruch von CS. Lewis: Es ist leichter, die Schwelle zur göttlichen Offenbarung zu beschreiben als die Funktionsweise einer Schere.« Nachdem Kate sich unter dem Vorwand vollkommener Erschöpfung ins Bett zurückgezogen und einen kräftigen Schlummertrunk genommen hatte und nach langem Hin-und Herwälzen in unruhigen Schlaf gefallen war, wurde sie mitten in der Nacht dadurch wieder geweckt, daß jemand an die Tür klopfte und ihren Namen rief. Im ersten Augenblick glaubte sie, das Haus stehe in Flammen und dann, Leo sei entführt worden; schließlich waren das ihre vordringlichsten Sorgen. Aber es war Lina, deutlich am Rande der Hysterie und, wie Kate mit einem Blick erkannte, nahe daran, völlig durchzudrehen.
Nachdem Linas Schluchzen endlich leiser geworden war und Kate sich aufgerafft hatte, mit Lina ihr nächstes verständnisvolles Gespräch über die Gefahren der außerehelichen Liebe zu führen – jedenfalls rechnete sie damit und setzte deswegen schon ihr ausgesprochen altjüngferliches Gesicht auf –, da kam der Name Mary Bradford über Linas zitternde Lippen.
»Mary Bradford! Ja, was hat sie denn jetzt schon wieder veranstaltet?« »Sie behauptet, sie hätte nicht damit gerechnet, daß außer ihm noch jemand im Hause wäre. Und natürlich hat sie gleich geschlußfolgert – da war dieses Glitzern in ihren Augen, und dabei war gar nichts passiert, ich meine, nicht wirklich, aber Padraic sagte, irgendwann werde jemand diesem Weibstück noch den Hals durchschneiden, wenn sie sich nicht vorsehe, und jetzt wird sie natürlich keine Minute Zeit vergeuden und die Geschichte weitererzählen…« »Das hat er zu ihr gesagt?« »Ja. Als sie ihn nach der Party besuchen wollte. Kate, darf ich Sie wohl um etwas bitten?« »Lassen Sie uns in die Küche gehen. Ich mache uns einen Kakao.« »Kakao?« »Warum nicht? Ein beruhigendes Getränk, nicht wahr. Nun hören Sie mir mal zu, Lina, ich möchte jetzt keinen Schwall von Geständnissen hören, für die Sie mich morgen früh hassen. Falls Mary Bradford hereinmarschiert ist, bevor Sie ein Schicksal ereilen konnte, das schlimmer ist als der Tod, dann war das vielleicht die beste Tat in Mary Bradfords sonst offenbar vergeudetem Leben. Padraic Mulligan ist kein so übler Kerl, auch wenn ich den Verdacht habe, daß er keinerlei Zugang zu irgendeiner Form oder Funktion des Romans in irgendeiner Sprache hat, aber wenn Sie ein Abenteuer suchen, dann werden Sie doch den Augenblick erwarten können, in dem es ein bißchen spontaner zugeht und vielleicht sogar gefühlvoller. Kommen Sie mit in die Küche?« »Aber Jungfräulichkeit«, sagte Lina, als sie dort angekommen waren, »kann eine Last werden.« »Alles ist eine Last, Studenten und die frühen Briefe von James Joyce ganz besonders. Aber denken Sie daran, meine Liebe, wie Keats es so weise ausgedrückt hat: Das Leben ist ein Jammertal.
Übrigens, ich habe keine Ahnung, wie man Kakao macht. Wir trinken einfach einen heißen Punsch aus Scotch.«
Die Toten
»V erdammt und zugenäht, so ein Mist«, sagte Reed. »Vermittlung. Vermittlung. Da leben wir im Zeitalter der Automation, aber von Araby aus kann man natürlich nicht direkt wählen. Dafür sitzen dann Schwachsinnige in der Vermittlung, die offenbar aus dem nächstgelegenen Heim für zurückgebliebene Paviane stammen.
Wenn ich die Nummer in Boston wüßte, mein liebes junges Fräulein, dann würde ich Sie wohl kaum belästigen. Ich weiß, daß es wahrscheinlich achtzehn John Cunninghams im Bostoner Telefonbuch gibt. Wir müssen alle durchprobieren, so lange, bis wir den richtigen gefunden haben. Ja, es ist Sonntag, ich kann die Wochentage durchaus auseinanderhalten. Nein, ich will unter dieser Nummer keinen Anruf entgegennehmen, ich will den richtigen Mr. Cunningham finden. Weißt du«, sagte er zu Kate und deckte die Sprechmuschel mit der Hand zu, »ich glaube, ich habe in diesem kindlichen Gemüt endlich eine Stelle erwischt, die funktioniert.« »Im nächsten Jahr richten sie Durchwahltelefone ein«, sagte
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