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In besten Kreisen

In besten Kreisen

Titel: In besten Kreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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›Efeutag im Sitzungszimmer‹ ist das Wichtigste, was passiert, ein ›Plop‹, mit dem eine Flasche geöffnet wird.« Mr. Stratton sah aus, als würde es bald auch bei ihm »Plop« machen.
    »Was für ein Tag ist das überhaupt, dieser Efeutag?« fragte er.
    »Es gibt da ein Buch, ein Taschenbuch, glaube ich, das heißt ›A Reader’s Guide to James Joyce‹, verfaßt von William York Tindall«, sagte Grace. »Bitte erlauben Sie mir, Ihnen ein Exemplar zu schenken. Ich bekomme Fakultätsrabatt, ein Vorteil, den sogar emeritierte Professoren genießen. Tindall meint, wenn ich mich recht erinnere, daß alles in der Geschichte Sinn bekommt, wenn man es in Bezug zu Parnell stellt. Wenn ich Sie richtig verstehe, meinen Sie, Mr. Stratton, daß alles in diesem Mordfall Sinn bekommt, wenn man es auf James Joyce bezieht.« »Ist dieser Efeutag denn Parnells Geburtstag?« »Das ist komisch«, sagte Kate. »Ich bin nicht sicher, ob es sich um seinen Geburts-oder seinen Todestag handelt oder ob es mit seiner Scheidung zu tun hat. Aber an diesem Tag – es ist der 6. Oktober – trägt jeder in Dublin, der sich in Erinnerung an Parnell ergehen will, einen Efeu im Knopfloch. Und alle sind natürlich total betrunken.« »Natürlich«, sagte Mr. Stratton.
    »Warum hat Emmet wohl Mr. Stratton ausgerechnet ›Efeutag im Sitzungszimmer‹ zum Lesen gegeben?« fragte Lina.
    »Es war Joyces Lieblingsgeschichte«, sagte Kate. »Alle anderen bevorzugen natürlich ›Die Toten‹, eine der großen Geschichten in englischer Sprache.« »Wovon handelt die?« fragte Mr. Stratton.
    »Von einem Mann namens Gabriel Conroy, der nie gelernt hat zu lieben«, sagte Kate. »Und von der Wahrheit, daß jeder in Irland tot ist, abgesehen von den Toten selbst vielleicht.« »Muß ein fröhlicher Bursche gewesen sein«, ließ sich Mr. Strattons Kollege überraschend hören.
    »›Ulysses‹ ist fröhlicher«, sagte Kate.
    »Ist das nicht ein unmoralisches Buch?« fragte Mr. Stratton.
    »Weder im Sinne des Gesetzes noch tatsächlich«, sagte Kate. »Es ist im Gegenteil eines der moralischsten Bücher in englischer Sprache. Bloom bringt die Liebe in eine tote Stadt und zu einem Nochnicht-Künstler, der noch nicht gelernt hat zu lieben. Den Heidenkindern das Licht.« »Ich dachte, es käme viel Sex darin vor«, sagte Mr. Stratton tapfer.
    »Im Leben kommt auch viel Sex vor«, antwortete Kate.
    »Im Leben mancher«, sagte Grace Knole. Kate mied Linas Blick.
    »Würden Sie sagen«, fragte Mr. Stratton, »daß Joyce wichtig ist?« »Natürlich ist er wichtig«, sagte Grace. »Lesen Sie Richard Ellmanns Biographie. Brillant. Gibt es, glaube ich, noch nicht als Taschenbuch. Zu teuer für mich, selbst zum Fakultätsrabatt kann ich Ihnen kein Exemplar versprechen. Vielleicht«, schlug sie vor, »könnten Sie es auf Ihr Spesenkonto setzen.« »Ich weiß nie, was die Leute unter ›wichtig‹ verstehen«, sagte Lina.
    »Und nun zu all seinen Briefen, die hier herumliegen«, sagte Mr. Stratton, ehe ein literarischer Streit aufkommen konnte. »Mr. Crawford sagte mir, die Kongreßbibliothek und eine ganze Reihe Universitäten seien hinter ihnen her. « »Ach«, sagte Grace Knole. »Seltsam. Eine Frau wird in der Nähe eines Hauses getötet, in dem eine Sammlung von Briefen eines Iren lagert.« »Wahrscheinlich gibt es da überhaupt keine Verbindung. Nur, daß Mary Bradford wahrscheinlich zu denen gehörte«, ergänzte Kate, »die den ›Ulysses‹ für ein schmutziges Buch und Bloom für einen Dreckfinken hielten. Natürlich konnte Joyce nicht viel mit den WASPS anfangen.« »WASPS?« fragte Mr. Stratton mit dem Gesicht eines Mannes, der auf alles gefaßt ist.
    »Weiße angelsächsische Protestanten; Puritaner; Calvinisten.« »Ich bin Calvinistin«, sagte Grace Knole.
    »Ich bin sicher, er hätte Ausnahmen gemacht.« Kate lächelte.
    »Wir wissen sogar, daß er das getan hat. Aber seine Vision betraf hauptsächlich die Welt der Katholiken und Juden. Wissen Sie, es gab eine Zeit, da hielt er sich für einen Priester. ›Ich habe die Gesellschaft Jesu aufgegeben für die Gesellschaft der Juden‹, soll er gesagt haben.« Mr. Stratton und sein Kollege machten ziemlich schockierte Gesichter. »Sie scheinen ja eine ganze Menge über Joyce zu wissen, Miss Fansler«, sagte Mr. Stratton.
    »Nur sehr wenig, glauben Sie mir.« »Haben Sie nicht gesagt, Ihr Spezialgebiet sei die viktorianische Literatur?« »So ist es, aber es steht uns nicht zu, uns geschützt und ungestört

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