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In besten Kreisen

In besten Kreisen

Titel: In besten Kreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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unserer jeweiligen Epoche zu widmen, so umfassend die auch sein mag. Ich halte zum Beispiel eine Vorlesung über die Geschichte des englischen Romans, und darunter fällt auch der irische.« »Nun gut«, sagte Mr. Stratton und erhob sich, »ich glaube, ich sollte jetzt mit Mr. Mulligan sprechen. Wie ich gehört habe, ist er vorhin gekommen. Wissen Sie, ob er noch da ist?« »Unterhält sich, glaube ich, mit Emmet«, sagte Kate und stand ebenfalls auf. »Soll ich ihn hereinschicken?« »Wenn Sie so freundlich wären«, sagte Mr. Stratton. »Besten Dank für Ihre literarischen Hilfestellungen, Ihnen allen.« »Es war uns ein Vergnügen«, sagte Grace Knole und ging als erste zur Tür. Als diese sich hinter ihnen geschlossen hatte, fragte sie: »Wie heißt eigentlich der andere Mann, der dauernd mit Stratton zusammen ist, aber kaum den Mund aufmacht?« »Ich habe keine Ahnung«, sagte Kate, »aber ich nenne ihn für mich M’Intosh.« »Wieso?« fragte Lina.
    »Lesen Sie ›Ulysses‹«, frotzelte Kate.
    »Ich werde mir alles notieren«, sagte Grace, »was mir an interessanten Informationen gerade zu Ohren gekommen ist. Weißwein zum Beispiel.« Sie zog ein Notizbuch aus der Tasche und schrieb es auf.
    »Schreiben Sie sich alles auf?« fragte Lina. »Ist das der Grund, warum Sie sich an alles erinnern?« »Absolut. Auch die schrecklichen Dinge schreibe ich mir auf.« »An die kann ich mich problemlos erinnern«, lachte Lina.
    »Oh nein, das stimmt nicht ohne weiteres. Denk an ›Alice‹, wo es heißt, daß man sehr wohl den Schrecken eines Augenblicks vergißt, es sei denn, man schreibt ihn sich auf. Nachdem man uns jetzt aus dem Sitzungsraum komplimentiert hat, sollten wir vielleicht einen Spaziergang machen? Vielleicht ist zufällig Melkzeit.« Grace schob ihr Notizbuch wieder in die Tasche.
    »Die dürfte jetzt gerade vorbei sein«, sagte Kate, »jedenfalls nach dem, was mir Leo erzählt hat. Aber natürlich habe ich mir darüber keine Notiz gemacht.« »Glauben Sie, Mr. Bradford hätte etwas gegen unseren Besuch, vor allem heute?« »So etwas nimmt er eher geduldig hin. Leo und William waren anscheinend jeden Nachmittag zur Melkzeit dort, schließlich wußten sie über das Melken mehr als er selber. Aber vielleicht sollten wir Detektiv spielen und sehen, wie er reagiert. Gehen wir? Über die Felder oder die Straße hinunter?« »Ich denke, die Straße«, sagte Grace. »Mit Autos werde ich besser fertig als mit unbekannten Gefahren. Von denen das ländliche Leben ja, nebenbei bemerkt, nur so überquillt. Ich habe in meinem Leben eine Reihe rasender Leidenschaften kennengelernt, vom brennenden Ehrgeiz bis zur reinen Wollust, aber keine endete damit, daß einer den anderen niederschoß, obwohl sich gewiß ein paar selbst umgebracht haben. Ich glaube nicht, daß Gewalt im ländlichen Leben eine größere Rolle spielt, man ist hier lediglich vertrauter mit Gewehren und gewaltsamem Tod. Ich nehme an, wenn man oft zugeschaut hat, wie ein Reh oder ein Murmeltier in Stücke geschossen wird, dann ist der Gedanke an ein in Stücke geschossenes menschliches Wesen weniger unfaßlich.« »Bradford hat mir einmal erzählt«, sagte Kate, »daß es hier keine Diebstähle gibt, und zwar deswegen, weil jeder weiß, daß jeder ein Gewehr hat, damit umgehen kann und es auch benutzen wird.« »Das klingt dann aber doch so«, fragte Grace, »als würde hier jemand eher nach seinem Gewehr greifen und Mary Bradford aus blanker Wut erschießen, statt eine Kugel in den Gewehrlauf eines anderen zu schieben, nicht wahr? Ich meine, klingt es Ihrer Meinung nach wirklich wie ein typisch ländliches Verbrechen? Für mich hat das Verbrechen eher etwas Metaphorisches.« »Joyceanisches, meinen Sie?« fragte Lina.
    »Jedenfalls Literarisches.« »Das sehe ich nicht so«, sagte Kate. »Mir kommt es so vor, als hätte hier ein Typ aus dieser Gegend, der sie haßte, die Chance gesehen, sie loszuwerden, und die hat er dann auch ergriffen. Die Tatsache, daß damit ein Haufen Verrückter aus der Stadt in verdammt große Schwierigkeiten geraten würde, machte das Ganze nur noch reizvoller. Da kommt ein Wagen.« Die drei traten an den Straßenrand, während das Auto – natürlich von dem unvermeidlichen Heranwachsenden männlichen Geschlechts und viel zu schnell gefahren – weit genug im Tempo herunterging, daß ihnen der Fahrer eine sarkastische Einladung zurufen konnte. Als die drei wieder auf der Straße waren, gluckste Grace.
    »Wären wir jetzt in

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